Pfarrer Theodor Piper und seine Frau Anne Piper vor dem Pfarrhaus in Seubtendorf (Thüringen), AD: um 1914 - © A. Piper

Der Erste Weltkrieg auf dem Dorf

In seinen Tagebucheinträgen hielt Pastor Theodor Piper seine alltägliche Routine fest; dazu aber auch zahlreiche Vorkommnisse, die über die Auswirkungen des Weltkriegs auf das Dorfleben berichten.

Die Tagebücher

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag von Theodor Piper, v. 1. August 1914 (Auszug).Text: Sonnabend kam noch der Mobilmachungsbefehl u. setzte d. ganze Dorf in Aufregg. Sonntag früh machte ich meine Predigt und hatte in Künsdorf um ½ 11, in Langgrün um 2 Uhr u. hier in d. Kirche. Überall starker Besuch u. große Erregung! Es ist nicht leicht, Menschen innerlich auf einen Krieg vorzubereiten. Da muß man selber innerlich sehr fest sein! - Übertragung aus dem Sütterlin durch Ehrenamtliche Sütterlinstube im Hospital zum Hl. Geist, Hamburg, 2014. © A. Piper, 2014

    Die Euphorie

    Den Kriegsausbruch erlebt Theodor Piper auf einer Zugfahrt von Aurich zurück nach Seubtendorf. 25 Stunden ist er ohne Pause unterwegs. In Stendal kauft er den "Berliner Lokalanzeiger" mit der Überschrift "Russland will den Krieg!"

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag Theodor Piper v. 7. März 1917 (Auszug)

    Die Ernüchterung

    Die große Kriegsbegeisterung des Sommers 1914 weicht allmählich. Der Schlachtruf "Weihnachten sind wir wieder zuhause!" hat sich nicht bewahrheitet. Allmählich beginnt sich der Mangel abzuzeichnen.

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag (Scan) von Theodor Piper, 23. August 1916, Text: Kreuz im Leben. Bei Fränkel. Er hat schlimmes Bein. Seit März eitert es immerfort, hat lauter Löcher. Er soll viel liegen, aber es wird ihm zu langweilig. Wenn er schwerere Arbeit macht, dann hat er furchtbare Schmerzen. Sein Sohn Christian ist e. Jahr fort. Er schreibt, daß er keinen Urlaub bekommen könne. D. Vater kommen d. Tränen in d. Augen. Wie sollen sie d. Ernte hereinbekommen. Haben nur d. Tochter Emma aus Gefell zuhilfe."

    Der Stellungskrieg

    Der Krieg zieht sich weiter in die Länge, in einem aussichtslosen Stellungskampf. Verwundete Heimkehrer erzählen vom Grauen an der Front - auch in Seubtendorf. Zugleich sinkt die Bereitschaft der Bevölkerung, Kriegsanleihen zu zeichnen.

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag Theodor Piper, 11. Oktober 1917: "Lichtbilder vorbereiten. Etwas angegriffen, ausruhen. Schöner, stiller Herbsttag. Abends ½9-½10 Lichtbilder in der Kirche: „Deutschland im 4. Kriegsjahr“, Ansprache über 7. Kriegsanleihe. Recht dürftiger Besuch, es ist noch keine Zeit für so etwas, die Leute sind zu müde von der Arbeit." -Scan

    Der Mangel

    Immer deutlicher wird die Lebensmittelknappheit und die Teuerung auch in Seubtendorf spürbar, wenn auch nicht so stark wie in den Städten. Deren Bewohner kommen aufs Land und betteln bei den Bauern um Nahrung.

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag Theodor Piper v. 11. November 1918,

    Der Zusammenbruch

    Ab dem Spätsommer zeichnet sich ab, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Die Bündnismächte Österreich-Ungarn und Bulgarien kapitulieren. In seinen Tagebüchern hält Theodor Piper die resignative Stimmung fest: alle wollen nur noch, dass es möglichst schnell zu Ende geht.

  • Handschriftlicher Tagebucheintrag, Theodor Piper, 8. Mai 1919: "Predigtvorbereitung; Beginn der Gartenarbeit und des Säens, endlich! Wundervoller Frühlingstag; die Friedensbedingungen werden bekannt, Betrogen und entehrt! Und das nennt sich Rechtsfrieden und Völkerbund! – Abends Abschiedsfeier mit den Berliner Tanten u. Frau Haller."

    Der "Schandfriede"

    Das Deutsche Kaiserreich ist unwiederbringlich dahin, eine neue Ordnung ist noch nicht in Sicht. Desillusioniert notiert Theodor Piper die politischen Verwerfungen des Jahres: Der "Gewalt- und Schandfriede" wird Realität.