Interview - Ischinger: "Mehr Europa" als Antwort auf Trump und Putin
Nach der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gibt es für Deutschland nur einen Weg, sagt Wolfgang Ischinger, ehemaliger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz: Mehr Europa.
Die USA vor der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus und Deutschland im "Behelfsmodus" – selten in den letzten Jahren war die Frage, wie es weitergeht, so drängend, wie im Moment. Wolfgang Ischinger ist der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz. Er gibt zumindest etwas Entwarnung, was die Stabilität der NATO angeht:
Ischinger: "NATO steht stabiler da als 2016"
"Die NATO steht jedenfalls sehr viel stabiler und klarer da als zu Beginn der ersten Amtszeit von Donald Trump. [Damals] konnte dieser mit Fug und Recht sagen: So kann es nicht weitergehen, die Europäer lassen die Flügel hängen, die müssen viel mehr beitragen. Da war ja auch noch kein Krieg. Jetzt haben wir Krieg, die Verteidigungsleistungen aller Bündnispartner, auch der Bundesrepublik Deutschland, sind angestiegen. Also: Die NATO als solche steht so schlecht nicht da."
Wirtschaftlich scheint die Lage allerdings ernster, meint Ischinger: "Donald Trump […] hat ja schon angekündigt, er wird Zölle gegenüber China, aber auch anderen Handelspartnern erheben. Ob das eine kluge Handelspolitik ist, sei mal dahingestellt. Aber darauf müssen wir uns einstellen. Und darauf ist – soweit ich das sehen kann – die künftige EU-Kommission auch durchaus eingestellt. Man kann nur hoffen, dass hier am Schluss Vernunft siegt und dass wir nicht in eine Art transatlantischen Handelskrieg münden. Der würde keiner der beiden Seiten langfristig nutzen."
Europa muss "mit einer Stimme sprechen"
In der Frage des Ukraine-Krieges droht laut dem Sicherheitsexperten, dass Trump über die Köpfe der Ukraine und der Partner einen Deal mit Putin aushandeln könne. Er glaubt zwar nicht, dass Trump Putin die Ukraine "zum Fraß vorwerfen" werde. Denn dann stünde er als Schwächling da. Aber: "Er möchte diesen Krieg beenden. Und da wird er möglicherweise von der Ukraine – möglicherweise auch von uns – erhebliche Beiträge erwarten. Das kann auch unschön werden, wenn wir Pech haben."
Wie also soll Deutschland nun mit der "Herausforderung Trump" umgehen? "Die Antwort lautet: Europa!", so Ischinger. "Wir müssen uns daran erinnern, dass wir abhängig sind von dem Erfolg des europäischen Projekts. Wenn es uns nicht gelingt, als Europäer wieder mit einer Stimme zu sprechen, den USA gegenüber in handelspolitischen Fragen und den Russen und anderen gegenüber auch in sicherheitspolitischen Fragen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir auseinanderdividiert werden."