Interview - Ökonom: Schuldenbremse-Urteil ist kein Aufruf zum Sparen
Seit Wochen ringt die Bundesregierung um eine Lösung in der Haushaltskrise. Die Positionen in den Ampel-Parteien könnten teils kaum unterschiedlicher sein. Was tun? Für den Wirtschaftswissenschaftler Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist klar: Sparen allein ist nicht die richtige Lösung.
60 Milliarden Euro fehlen seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Haushalt. Die Bundesregierung hat sich noch immer nicht auf einen Plan geeinigt, wie mit dem Finanzloch umgegangen werden soll. Die Opposition fordert, Sozialleistungen zu kürzen, um Geld zu sparen.
Der Ökonom Tobias Hentze kann dem Vorschlag nur wenig abgewinnen. "Zunächst muss man sich klarmachen, dass das Urteil kein Aufruf zum Sparen ist", sagt der Experte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Lediglich die Art und Weise, wie der Haushalt finanziert werden sollte, sei vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. "Von daher geht es erstmal umd die Frage: Welche anderen Wege kann man finden - jenseits vom Sparen."
Hentze: Alternativen zum Sparen finden
Leider fehle es der Bundesregierung an einem passenden Plan B. "Es geht um wichtige Investitionen in den Klimaschutz, es geht auch um Planungssicherheit für Unternehmen und für die Bürger", sagt Hentze.
Eine saubere Lösung wäre es dem Ökonomen zufolge, die Schuldenbremse zu reformieren. Eine Änderung der verhältnismäßig starren Regelungen sei angesichts der wichtigen Transformationsprozesse angemessen.
Höhere Verschuldung möglich
"Der Bund darf sich zur Zeit in Höhe von 0,35 Prozent der Wirtschaftskraft verschulden - das sind im Jahr rund 15 Milliarden Euro", sagt Hentze. Die Staatsverschuldung sei verhältnismäßig gering. "Das bedeutet also, es gibt Spielraum sich stärker zu verschulden, ohne dass die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gefährdet wäre", so der Wirtschafstexperte. Für eine Änderung brauche die Regierung aber eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und daher die Opposition.