Interview - Historikerin: Stolpersteine machen das, was passiert ist, fassbarer
Mehr als 10 000 Stolpersteine sind in Berlin verlegt zum Gedenken an Menschen, die in der NS-Zeit deportiert wurden. Historikerin Silvija Kavčič erklärt die Erfolgsgeschichte des "größten dezentralen Denkmals in Europa".
Die sogenannten "Stolpersteine" sind kleine Gedenkorte: Pflastersteine aus Metall, die an die deportierten früheren Bewohner und Bewohnerinnen erinnern - meist jüdische, aber keineswegs nur. Dadurch holt man die Toten noch mal ins Leben zurück. Mehr als 10 000 solcher Stolpersteine sind in Berlin verlegt bisher. Der Impuls kommt häufig von Angehörigen, wichtig sind die Ehrenamtlichen.
Am Dienstag findet in Berlin eine Konferenz statt - mit Workshops zu dieser Art des Gedenkens. Silvija Kavčič ist Historikerin und leitet die Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. "Inzwischen hat sich der Begriff 'Größtes dezentrales Denkmal in Europa' etabliert", sagt sie und erklärt, warum die Stolpersteine so eine Erfolgsgeschichte sind:
Kavcic: Stolpersteine konterkarieren das 'Haben von nichts gewusst'-Narrativ
"Eine Biographie macht das, was damals passiert, sehr viel fassbarer, handhabbarer. Man kann sich da auch ein Stück weit mit dem, was da passiert ist, noch mal auseinandersetzen, als wenn man nur die Zahlen von sechs Millionen ermordeten Juden hat. Und es ist natürlich verankert im Kiez, in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf."
Das konterkariere auch das lange vorherrschende Narrativ, dass die Bevölkerung nichts von den Verbrechen gewusst habe: "Die Leute sind aus ihren Wohnhäusern herausgeholt worden, man konnte die Leute auf der Straße in den Dörfern sehen, wie sie deportiert wurden, wie sie zum Bahnhof gebracht wurden."