Interview - Gerichtssprecherin: Richtertätigkeit ist keine Fließbandarbeit
Die Richterin und Sprecherin der Berliner Strafgerichte Lisa Jani hat in der Frage der Strafverfolgung nach der Silvesternacht zur Ruhe gemahnt. Die Aufregung passe nicht zur tatsächlichen Zahl der Fälle.
Nach der Silvesternacht mit zahlreichen Ausschreitungen gab es mehrere hundert Festnahmen. Doch was passiert eigentlich mit den Straftätern – und wie lange dauert es, bis überhaupt etwas passiert? Lisa Jani, Richterin am Amtsgericht Tiergarten und Sprecherin der Berliner Strafgerichte verweist darauf, dass Schnelligkeit zwar wichtig sei, aber noch wichtiger sei es, den Richtigen zu erwischen:
"Das geht so ein bisschen bei dieser Diskussion verloren, dass das grade in den Silvesternächten häufig eine total unübersichtliche Lage ist: Es ist dunkel, es ist laut, es ist Feinstaub in der Luft. […] Unsere Aufgabe ist es dann eben auch, zu klären, wer sich dahinter verbirgt. Richtertätigkeit ist ja keine Fließbandarbeit."
Jani: Aufregung korrespondiert oft nicht mit den Zahlen
Außerdem müsse man die Einzelfälle, in denen es sehr lange dauert, von der Regel trennen, so die Sprecherin: "Im Durchschnitt dauert bei uns am Amtsgericht Tiergarten ein Verfahren in den Jugendabteilungen 3,4 Monate. Das ist im bundesweiten Schnitt eine sehr gute Zahl." Richterinnen und Richter hätten jeweils rund 100 offene Verfahren auf dem Tisch und müssten unabhängig entscheiden, welches davon zuerst verhandelt würde.
Die Aufregung nach Silvester und den Ruf nach schnellen Strafen könne sie verstehen, sagt Jani. Doch: "Unsere Aufgabe als Justiz ist es auch, die Aufregung in Grenzen zu halten und auch mal auf die Fakten zu gucken. […] In der Silvesternacht dieses Jahr zum Beispiel hat es nur fünf Haftbefehlsanträge von Polizei und Staatsanwaltschaft gegeben. Nur zwei standen im Zusammenhang mit Silvester. Deswegen muss man auch mal gucken, ob diese Aufregung auch tatsächlich mit den Zahlen korrespondiert. Und das tut sie häufig nicht."