Interview - Agrarökonom: "Die deutsche Landwirtschaft ist gut aufgestellt"
Bundesweit protestieren die Landwirte in dieser Woche gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Dabei geht es den Bauern eigentlich gut, erklärt Martin Odening, Agrarökonom an der Humboldt Universität. Als Grund für Proteste sieht er das Gefühl, von der Politik übergangen worden zu sein.
Trotz der Ankündigung der Bundesregierung, die geplanten Kürzungen im Agrarbereich teilweise zurückzunehmen, wollen die deutschen Landwirte in dieser Woche bundesweit gegen die Agrarpolitik der Ampel protestieren. Laut einer Sprecherin des Bauernverbands geht es beim Protest der Landwirte um weit mehr als nur um die Abschaffung der Dieselbeihilfe. Die sei nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe.
Für Martin Odening, Agrarwissenschaftler an der Humboldt Universität Berlin, beruht die Wut der Bauern auf dem Gefühl, zu stark reguliert zu werden. Und dass, obwohl die wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft aktuell gut sei. Durchschnittlich habe eine Familienarbeitskraft im vergangenen Jahr 80 000 Euro brutto verdient. "Wenn man das mal ins Verhältnis setzt zu dem Bruttoarbeitsverdienst in Deutschland insgesamt, das sind 50 000 Euro, dann ist die Lage nicht schlecht."
Allerdings sei die Spannbreite, wie die Einkommen verteilt sind, sehr groß, gibt der Agrarökonom zu bedenken. "Es gibt Betriebe, die überdurchschnittlich viel verdienen." Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland hätten 2023 aber auch Verluste gemacht. "Insofern kann auch ein kleiner Rückgang an Subventionen dann sehr viel bewirken und diese Betriebe unter Druck setzen." Jedes Jahr würden zwei Prozent der Betriebe schließen müssen.
Nicht jeder der Landwirt ist, kann Landwirt bleiben
Trotzdem bleibe der Fakt, dass die deutsche Landwirtschaft im internationalen Vergleich aktuell gut aufgestellt sei, erklärt Odening. Dabei müsse man sich aber von der romantischen Vorstellung verabschieden, dass jeder, der Landwirt ist, auch Landwirt bleiben kann. "Das lässt sich gegen den Markt nicht durchsetzen." Obwohl die Landwirte jetzt gemeinsam auf die Straße gingen, stünden sie auch untereinander in einem sehr starken Konkurrenzverhältnis.
Den Grund für die aktuelle Protestwelle der Bauern sieht der Agrarwissenschaftler darin, dass die Landwirte bei politischen Entscheidungen zuletzt nicht ausreichend mitgenommen wurden. Die Haushaltskrise der Bundesregierung habe dazu geführt, dass Kürzungen quasi über Nacht entschieden wurden. "Hier geht es nicht darum, Anreize zu schaffen, weil die Landwirte überhaupt nicht reagieren können, sie müssen mit ihren Schleppern fahren. Es geht einfach darum Finanzlücken zu schließen." Das ärgere die Bauern jetzt am meisten.