100 Sekunden Leben - Störungen im EM-Betriebsablauf
Dass die EM-Stimmung im Land auf wackeligen Füßen steht, hat man am Sonntag gesehen. Da hätte die deutsche Mannschaft gegen die Schweiz fast verloren. Kolumnist Thomas Hollmann sieht schon den nächsten Stimmungskiller auf ihn zukommen: Er muss mit der Bahn fahren.
Das ist vermutlich keine gute Idee, in diesen EM-Tagen einmal quer durchs Land zu schienen. Kam doch selbst Organisationschef Philipp Lahm zu spät zum Spiel. Der muss die Bahn aus Umweltgründen nehmen. Sein WM-Organisationsvorfahre Franz Beckenbauer durfte sich noch mit dem Hubschrauber von Stadion zu Stadion fliegen lassen. Und das muss man sagen: Beckenbauer ist nie zu spät gekommen. Im Gegensatz zu Philipp Lahm. Wobei der die zweite Halbzeit gesehen hat, stellte die Deutsche Bahn in ihrem vermeintlichen Entschuldigungs-Tweet fest.
Zweieinviertel Stunden habe ich morgen als Zeitpuffer, um es in Lindau rechtzeitig vor den Hotelfernseher zu schaffen. Das hört sich viel an, aber wenn man weiß, dass ein Vater mit seinem Sohn von Wien nach Düsseldorf sieben Stunden länger brauchten, obwohl die beiden dann noch ein Taxi nahmen, dann sind zweieinviertel Stunden eher knapp bemessen.
Die Vater-Sohn-Odyssee hat in Österreich für einiges Aufsehen und ziemliche Ratlosigkeit gesorgt. Wie man sich auch andernorts fragt: Was ist nur los mit Deutschland? Standen sich Fans doch an diversen Bahnhöfen die Beine in den Bauch. Nicht zuverlässig, nicht effizient, nicht funktional – so das EM-Zwischenfazit der New York Times. Ich vermute, Organisations-Europameister wird Deutschland eher nicht.
Dafür darf ich morgen wahrscheinlich meinen ausländischen Zugmitfahrern erklären, was "Störung im Betriebsablauf" bedeutet. Sicherheitshalber habe ich noch mal nachgelesen. Als Betriebsstörung gilt beispielsweise auch die Explosion einer Gasfabrik. So gesehen können unsere EM-Gäste froh sein, dass der ICE nur zu spät kommt - und nicht in die Luft fliegt.