Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l), und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, sprechen vor der Vereidigung des neuen Finanzministers Kukies im Bundestag miteinander.
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Interview - Politologin: Vom Ampel-Bruch sofort in den Wahlkampf

Die Ampelkoalition ist Geschichte. Bei ihrem Bruch habe sich eine Art "reinigende Wut" aller beteiligten Akteure gezeigt, sagt Politologin Astrid Séville, die vor allem zu politischer Kommunikation forscht.

Am Mittwochabend hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem deutlichen Statement Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus der Regierung geworfen – und damit gleichzeitig das Ende der Ampelkoalition bekanntgegeben. "Dieses Statement ist wirklich ein faszinierendes Statement der Gegenwart", findet Astrid Séville, Politikwissenschaftlerin an der Universität Lüneburg.

Mit "Blame-Game" in den Wahlkampf gestartet


In dem Auftritt zeige sich eine "merkwürdige Gleichzeitigkeit aus Olaf Scholz' Bedächtigkeit […] und aggressiven, diskreditierenden Äußerungen über Christian Lindner", so die Politologin. Das könne Zuhörerinnen und Zuhörer durchaus verstören.

Man habe den Eindruck, dass es bei allen Akteuren "eine kathartische Wut, also eine reinigende Wut" gebe, meint Séville, "dass hier wirklich zelebriert wird, dass man auseinanderbricht– bei gleichzeitiger Reue darüber."

Das sei aber auch strategisch gewollt, betont sie. "Es geht darum, sich für den jetzt beginnenden Wahlkampf gut in Stellung zu bringen - und dieses Spiel zu spielen", erklärt Séville. "Wir nennen das in der Politikwissenschaft 'Blame-Game', also sich die Verantwortlichkeiten und Schuld hin- und herzuschieben."

Séville: Verunsicherung der Menschen ernstnehmen


Die Politik müsse die "Erwartungsunsicherheit und Irritation der Wählerinnen und Wähler" nun aber auch ernstnehmen, fordert die Politologin. "Ich glaube, den meisten ist klar, dass wir vor großen Herausforderungen stehen - geopolitisch, auf Europa-Ebene, innenpolitisch." Sie zweifle daran, ob Scholz' derzeitiger "Sound der Beruhigung, den wir ja von Angela Merkel kennen, wirklich weiterhilft".

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Das Kanzleramt im Regierungsviertel ist am Abend hell erleuchtet.
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Interview - Brugger (Grüne): Koalitionsbruch "fast schon überfällig"

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