Interview - Migrationsforscher: Grenzkontrollen reduzieren Asylanträge nicht
Die Union pocht weiterhin auf verstärkte Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen. Migrationsforscher Gerald Knaus sagt, das sei kein Mittel, um die Zahl der Asylanträge in Deutschland zu senken - und erklärt, warum.
Es sei offensichtlich "nicht sehr gut, wenn zwischen Wahlkämpfen bei heißer Temperatur anlassbezogen diskutiert wird", sagt Gerald Knaus, Migrationsforscher und Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative. "Denn dann kommen manchmal Vorschläge und Diskussionen heraus, die nicht wirklich zu den Zielen führen und den Beteiligten nicht zur Ehre gereichen."
Blick in Nachbarstaaten
Sowohl die Bundesregierung als auch die Opposition würden das Ziel äußern, die Zahl der Asylanträge in Deutschland zu reduzieren - "durch Grenzkontrollen an den deutschen Schengenraumgrenzen", so Knaus. Dabei zeigten Beispiel aus anderen Ländern wie etwa Österreich oder Frankreich, dass es dort trotz verstärkter Kontrollen mehr Asylanträge gebe und nicht weniger.
"Die Vorstellung, dass man die irreguläre Migration durch notwendigerweise oberflächliche Grenzkontrollen an offenen, grünen Grenzen mit bestehendem Recht so reduzieren kann, ist einfach eine Erwartung, die geweckt wird, die nicht erfüllt werden kann", sagt der Migrationsforscher. Die Hoffnung auf eine "Kettenreaktion", dass die Nachbarstaaten dann ebenfalls ihre Grenzen stärker kontrollieren, sei "unsinnig", denn das täten diese schon längst.
Knaus: Anträge schneller bearbeiten
Vielmehr müsse etwa die Bearbeitung von wenig aussichtsreichen Asylanträgen in Deutschland beschleunigt werden, so Knaus. Da gebe es in anderen Ländern deutlich bessere Regelungen. Außerdem müsse man auf die Transitländer - wie etwa die Türkei - zugehen und mit diesen Vereinbarungen treffen.
Klar sei, dass es eine Krise gebe und unbedingt etwas unternommen werden müsse, meint der Sozialwissenschaftler. Deswegen hoffe er auf neue, sinnvolle Gespräche von Regierung und Opposition sowie Bund und Ländern - nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September.