Die Bundespolizei kontrolliert den Einreiseverkehr am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice (Bild: picture alliance/dpa/Patrick Pleul)
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Interview - Migrationsforscherin: Immer mehr Personen haben weltweit Schutzbedarf

In Deutschland wird weiter über die Migrationspolitik beraten. Migrationsforscherin Judith Kohlenberger warnt vor einer Kettenreaktion in Europa, falls Deutschland an der Grenze Menschen zurückweist. Die Länder müssten zudem gleiche Standards für Asylsuchende schaffen.

Am Mittwoch haben sich Ländervertreter, Unionsvertreter und Regierung zum Migrationsgipfel getroffen. Aktuell wird auch über Zurückweisungen an Deutschlands Grenzen diskutiert. Ob die EU-Rechtskonform sind, ist umstritten.

"Ich bin nicht sicher, ob die handelnden Personen, die diese Pläne jetzt wälzen, sich bewusst sind, dass die Umsetzung tatsächlich sehr schwierig sein wird", sagt die Wiener Migrationsforscherin Judith Kohlenberger. So habe etwa Österreich angekündigt, keine zurückgewiesenen Menschen aufzunehmen.

Außerdem sei noch nicht absehbar, welche Kettenreaktion auf europäischer Ebene ausgelöst werden. Schon seit vielen Jahren sei die Reisefreiheit im Schengenraum eingeschränkt, sagt die Forscherin und verweist auf Kontrollen an der österreichisch-deutsche Grenze: "Wir haben eigentlich gar nicht mehr diese offenen Grenzen, wo überhaupt nicht kontrolliert wird."

Grenzkontrollen helfen nicht gegen Schlepperindustrie

 

Die Grenzkontrollen haben aber laut Kohlenberger nicht zum Rückgang der Migration geführt und auch die Schlepperindustrie konnte demnach nicht nachhaltig bekämpft werden. Die Migrationsforschung belege: "Wenn sich eine Route schließt, dann öffnet sich sehr, sehr häufig eine andere. Meistens noch gefährlichere, meistens noch teurere."

Forscherin: Fluchtursachen nehmen zu

 

Nationale Alleingänge seien für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik kontraproduktiv, so die Forscherin. Man müsse darauf hinwirken, dass alle Mitgliedstaaten menschenwürdige Unterbringungsstandards und zügige Entscheidungen in Asylverfahren schaffen, "weil dann - und das wissen wir - bleiben die geflüchtete Menschen auch in diesem ersten Ankunftsland."

Kohlenberger warnt vor Behauptungen, dass sich viele Menschen das Asylrecht erschleichen wollten. "Tatsächlich, wenn wir um uns blicken in der Welt, nehmen Fluchtursachen zu. Somit haben leider auch immer mehr Personen weltweit Schutzbedarf", so die Migrationsforscherin.

Hintergrund

Neues Treffen zur Migrationspolitik

In Berlin sind am Dienstag Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Union zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen gegen die irreguläre Migration zu beraten.

CDU und CSU hatten ihre Teilnahme nach langem Zögern erst am Morgen zugesagt. Die Union dringt vor allem darauf, dass Asylsuchende umfassend an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden. Diese Forderung haben die Grünen aber bereits als "rechtswidrig" zurückgewiesen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Montag jedoch vorübergehende Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen angekündigt. Außerdem sagte die Politikerin, dass die Bundesregierung ein Modell entwickelt habe, mit dem es möglich ist, deutlich mehr Geflüchtete an den Grenzen zurückzuweisen als bisher.

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Ab Montag wird es an allen deutschen Landesgrenzen Kontrollen geben. Um die Akzeptanz für Humanität zu bewahren, müssten Regeln besser durchgesetzt werden, sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.

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Eine Polizistin stoppt an einer Kontrollstelle an der Grenze ein Fahrzeug.
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