Interview - SPD-Chef Klingbeil: "Brauchen deutsch-französischen Plan für Europa"
Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Staatsoberhaupts in Deutschland seit 24 Jahren: Präsident Emmanuel Macron reist drei Tage lang mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Republik. Dieser Besuch sei "wahnsinnig wichtig für die deutsch-französischen Beziehungen", sagt SPD-Chef Lars Klingbeil.
"Ich glaube, jeder hat gemerkt, dass es in den letzten ein, zwei Jahren Differenzen gab", so der Co-Vorsitzende der SPD Lars Klingbeil. "Und die sind auch nicht überspielt worden. Aber ich habe schon den Eindruck, dass alle verstanden haben, worum es geht." Es komme nun nämlich genau auf das Bündnis von Deutschland und Frankreich an, "wenn wir Europa voranbringen wollen".
Wenn man sich die jüngsten Reden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Macron anschaue, sehe man viele Überschneidungen. "Trotzdem muss man nicht drumherum reden: Es gibt Differenzen, beispielsweise bei Strafzöllen", so Klingbeil. "Da muss man jetzt einfach im Gespräch sein und dafür sind die Regierungskonsultationen am Dienstag sehr wichtig."
Klingbeil: "Man muss nicht immer einer Meinung sein"
Bezüglich des Kriegs in der Ukraine seien sich beide Länder grundsätzlich einig, dass die Ukraine Unterstützung bekommen muss und in die Europäische Union geholt werden soll. Unterschiede gebe es etwa beim Thema Bodentruppen, aber solche Differenzen müsse eine Beziehung auch aushalten, sagt der SPD-Chef. "Das heißt ja nicht, dass man überall einer Meinung ist, aber dass man sich generell der gemeinsamen Verantwortung bewusst ist."
Auch die deutliche französische Kritik an den USA teile er nicht, so Klingbeil. "Ich bin den Amerikanern wirklich dankbar für vieles, was sie uns an Sicherheit in den letzten Jahrzehnten gebracht haben", sagt er. "Aber trotzdem sind wir in der Analyse, glaube ich, gleich: Egal, wie die nächste amerikanische Regierung aussehen wird […] - Europa wird eigenständiger werden müssen."
SPD-Chef fordert europäischen Schwerpunkt auf Verteidigung
Dazu gehöre auch, dass Europa sicherheitspolitisch "auf eigenen Füßen stehen" müsse, meint der SPD-Co-Vorsitzende. "Wir werden uns selbst schützen müssen. Das wird in beiden Ländern gesehen, glaube ich." Deswegen müsse man nach der Europawahl gemeinsam mit der EU-Kommission den Schwerpunkt stärker auf die Verteidigung legen.
Frankreich sei beim Raketenschutzschirm zwar nicht dabei, gebe diesbezüglich aber positive Signale. "Und ich finde es auch wichtig, dass man auch über die Frage diskutiert, ob man die französischen Atomwaffen, die da sind, stärker im europäischen Kontext sehen kann", sagt Klingbeil. "Das sind Debatten, wo beide Länder sich öffnen."
Man brauche nun einen deutsch-französischen Plan für Europa, so der SPD-Chef. Dabei gehe es auch um wirtschaftspolitische Fragen sowie den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. "Und da braucht es aus Deutschland und Frankreich auch wirklich eine Agenda für die nächste Kommission", erklärt Klingbeil. "Da braucht es mehr Europa und nicht weniger."