Interview - Migrationsforscherin Schwenken: "Der Fokus auf Grenzen ist problematisch"
Bundeskanzler Olaf Scholz will dafür sorgen, dass weniger Geflüchtete über andere europäische Länder nach Deutschland kommen. Die Migrationsforscherin Helen Schwenken von der Universität Osnabrück hält erhöhte Grenzkontrollen dabei für den falschen Weg.
Bundeskanzler Olaf Scholz will mit einem Maßnahmenpaket dafür sorgen, dass weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen. Insbesondere an der Grenze zu Polen soll es zusätzliche Sicherungen geben. Auch mit der Schweiz und Tschechien wurden gemeinsame Kontrollen an der Grenze vereinbart.
Helen Schwenken, Direktorin des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück, sieht diesen Fokus auf erhöhte Grenzkontrollen kritisch. Das Asylrecht sei immer noch ein Menschenrecht. Außerdem seien die Gründe, warum Geflüchtete ausgerechnet nach Deutschland kommen, sehr vielfältig, so Schwenken.
Komplexe Gründe für Flucht nach Deutschland
Dass Menschen auf der Flucht vor allem nach Deutschland wollen, weil sie hier mehr Geld und Unterstützung erwarten, ist für die Migrationsforscherin keine ausreichende Erklärung. Stattdessen seien komplexe Faktoren wie persönliche Netzwerke, Familienangehörige in Europa oder auch neue Bekanntschaften auf der Flucht dafür verantwortlich, in welches Land Menschen fliehen wollen.
Schwenken stellt die Frage in den Raum, warum es überhaupt schlimm ist, dass Deutschland ein bevorzugtes Zielland für Menschen auf der Flucht ist. Aktuelle Berechnungen würden zeigen, dass die Aufnahme Geflüchteter in den ersten sechs bis sieben Jahren mehr Kosten für den Staat verursache. Danach sei eine Mehrzahl der Geflüchteten aber sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dass könne sich auch positiv auf den Arbeitskräftemangel in vielen Kommunen auswirken, so die Migrationsforscherin.