Interview - Ganser: Taurus-Marschflugkörper steigern Eskalationspotential
Laut Medienberichten laufen Gespräche zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie über die Lieferung von deutschen Marschflugkörpern an die Ukraine. Helmut Ganser, Brigadegeneral a.D., rät militärpolitisch von so einem Schritt ab und sagt: "Wir sollten uns nicht treiben lassen."
Aus militärischer Sicht sei der Taurus-Marschflugkörper als Waffe sehr wirksam, erklärt Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser, er war lange Zeit in Führungspositionen bei der Bundeswehr und bei der deutschen Nato-Vertretung in Brüssel. So reichten die Flugkörper mit bis zu 500 Kilometern weiter als die britischen und französischen Systeme. Und die Waffe "ist optimiert für die Zerstörung von Start- und Landebahnen oder auch Zerbrechen von Bunkern".
Dennoch würde Ganser aus militärpolitischer Sicht von einer Leferung an die Ukraine abraten. "Meine Sorge ist auf der politischen, der militärpolitischen Ebene", eben weil die Flugköper fast doppelt so weit reichen wie das, was die Briten und Franzosen geliefert haben oder die USA liefern könnten. "Nach der Geschichte, wie das mit den Panzern gelaufen ist: Warum sollte Deutschland weiter gehen, als das die drei Atommächte tun?"
"Warum sollten wir uns erneut an die Spitze setzen, wenn die anderen sich zurückhalten?"
Der ehemalige General verweist darauf, dass Frankreich, Großbritannien und die USA eine besondere Verantwortung für Frieden und Sicherheit als ständige Mitglieder im Sicherheitsrat haben. "Warum sollten wir uns erneut an die Spitze setzen, wenn die anderen sich zurückhalten?" so Ganser.
Wenn etwa die Brücke von Kertsch in der Krim zerstört werde, hätte das laut Ganser Eskalationspotential, wenn das mit einem deutschen Waffensystem passieren würde. Er verweist darauf, dass in der Ukraine schon in großer Zahl Kampfpanzer aus Deutschland oder aus deutscher Produktion seien. Aus Frankreich gebe es keine und aus Großbritannien nur eine Handvoll.
Ganser zu Waffenlieferungen: "Was die Heereswaffensysteme angeht, sind wir ganz vorn"
Ein "immer weiter" der Spirale könnte den Bogen brechen lassen. "Da sollten wir uns aus meiner Sicht überhaupt nicht treiben lassen - weder von der innenpolitischen Debatte noch von internationalen Forderungen", so der Brigadegeneral a.D. - Deutschland sei der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, sagt Ganser, und weiter: "Was die Heereswaffensysteme angeht, sind wir ganz vorn, was die Ukraine von uns schon bekommen hat."