Interview - Politologe: Viele finden sich in Ampelpolitik nicht wieder
Knapp die Hälfte ihrer Regierungszeit hat die Ampel-Regierung mittlerweile auf dem Buckel - ein gutes Zeugnis würde sie derzeit von den meisten Wählern aber nicht bekommen. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel erklärt, was nach seiner Ansicht bei der Ampel falsch läuft, und warum die AfD profitiert.
Freuen über den jüngsten neuen Deutschlandtrend können sich die Ampelparteien nicht wirklich. Für die Kanzlerplartei SPD würden derzeit etwa nur 17 Prozent der Wählenden ihre Stimme abgeben. Für die derzeitige Talfahrt der Ampelkoalition insgesamt bei der Wählergunst hat Wolfang Merkel vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin eine zweigeteilte Erklärung.
"Eine Hintergrundsursache, die man doch erwähnen sollte, ist, dass Regierungen in der Mitte der Legislaturperiode in aller Regel relativ schlecht dastehen", so der Politikwissenschaftler. Diese strukturelle Erklärung solle aber keine "Beruhigungspille" für die Ampelkoalition sein.
Merkel spricht nämlich auch von "hausgemachten Problemen". "Wir haben das bei dem hochmissglückten Versuch gesehen, ein effizientes, ökologisch sensibles Energiesystem aufzubauen - insbesondere für die Heizungen." Das sei gescheitert, und zwar "am Anfang einer Periode, wo wir wirklich Transformation erleben werden, wie wir mit Energie umgehen, wie wir sie produzieren und konsumieren."
"Politik muss längeren Atem haben"
Was Merkel zudem an den Regierungsparteien kritisiert ist, dass sie "immer einen Blick auf die Wahlarena" hätten. Das sei negativ für eine effiziente, problemlösende Politik.
Die Abwanderung von Wählerinnen und Wählern in Richtung der AfD, die im Deutschlandtrend auf 21 Prozent kommt, erklärt Merkel unter anderem als Folge daraus, "dass die Koalition keine Politik vorführt, keine Politik durchsetzt, wo sich doch deutlich die Mehrheit der Bevölkerung wiederfindet." Als Mittel gegen Zustrom in Richtung der AfD sieht er eine "sachgerechte, problemlösende Politik" und eine Abstandgewinnung davon, dass jeder einzelne politische Schritt sich sofort auszahlen müsse in den Umfragen. "Politik braucht bei den Problemen, die wir heute haben, die wir in dieser Dekade haben, einen längeren Atem. Und das müssen die Ampelparteien lernen."