Bernd Lucke bei einer Buchvorstellung im Jahr 2019 in Berlin.
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Interview - Lucke zur AfD: "Schleichender Prozess" ins Extreme

Die AfD setzt am Freitag ihren Europaparteitag in Magdeburg fort. Wofür steht die Partei aktuell, und welche Ziele verfolgt sie in der Europäischen Union? Der Mitbegründer und heutige Kritiker der AfD, Bernd Lucke, sieht "kein Versehen" in der Formulierung aus einem AfD-Antrag, die EU auflösen zu wollen.

Die AfD ist im Aufwind. Im neuen ARD-Deutschlandtrend kommt die rechte Partei in der sogenannten Sonntagsfrage auf 21 Prozent. Einer, der die AfD mitgegründet hat, sie aber später nach einem Machtkampf verließ, ist der Ökonom Bernd Lucke. Wie blickt er auf die Entwicklung der Partei und die extremen rechten Positionen, welche Teilen der AfD vorgeworfen werden?

"Wir haben ja eine ganz andere Partei gegründet", erklärt Bernd Lucke. Die Partei habe damals eine Euro-kritische Position eingenommen, als Alternative zu einer "Euro-Rettungspolitik", wie Lucke sagt. Einen Schwerpunkt auf Migrationspolitik und Flüchtlingsfragen habe es damals nicht gegeben.

Gegründet wurde die Partei 2013, als die innereuropäische Wirtschaftspolitik noch mehr im Vordergrund stand als die Auswirkungen des Bürgerkriegs in Syrien. Lucke trat 2015 nach seiner Abwahl als Bundessprecher aus der Partei aus.

Lucke: Bedaure die Entwicklung der AfD

 

"Was ich bedauere, ist nicht die Gründung, sondern die Entwicklung, welche die AfD seither genommen hat." Trotzdem führt er diese Entwicklung darauf zurück, "dass es offenbar 20 Prozent der Bürger gibt, die eine solche AfD wollen."

Auf extreme Positionen in der AfD angesprochen, sieht Lucke deren Aufkommen in einem "schleichenden Prozess". Eine "immer schlechte Darstellung der AfD durch die Presse" habe zu einer Veränderung der Mitgliederstruktur geführt, meint Lucke. "Die besseren Mitglieder, die gemäßigten Mitglieder, haben sich systematisch immer mehr zurückgezogen, je mehr die AfD angefeindet worden ist." Das habe es schwieriger gemacht, Mehrheiten zu erhalten für die eigentlich euro-kritische Politik, so Lucke.

"Kein redaktionelles Versehen"


Wie steht es um die derzeitige und zukünftige Europapolitik der AfD? Genaueres habe die Partei noch nicht beschlossen, betont Lucke. Doch schon seit einigen Jahren vertrete die AfD die Position, dass Deutschland aus der EU austreten solle. "Das ist eine fundamentale Abwendung von dem, was wir ursprünglich wollten", sagt Lucke. "Die AfD ist gegründet worden als eine Partei, die für die Europäische Union war, aber bestimme Fehlentwicklungen, beispielsweise im Bereich des Euro, kritisieren wollte."

Ein Leitantrag der AfD forderte kürzlich sogar eine geordnete Auflösung der EU - wovon die Parteiführung später wieder Abstand nahm. Nach Luckes Einschätzung handelt es sich dabei nicht wie behauptet um ein redaktionelles Versehen: "Denn überall finden sich Formulierungen, die davon ausgehen, dass die EU so nicht fortbestehen darf."

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