Interview - Scherbakowa zum Wagner-Aufstand: Putsch gegen Schoigu, nicht gegen Putin
Vor einer Woche marschierte die Wagner-Söldnergruppe Richtung Moskau. Seitdem wird spekuliert, wie sich der Aufstand auf die russische Führung auswirkt. Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa glaubt an einen Verzweiflungsakt, der sich nicht gegen Putin richten sollte.
Vor einer Woche ließ Jewgeni Prigoschin, der Anführer der russischen Wagner-Söldner, seine Truppen Richtung Moskau marschieren. Seitdem wird spekuliert, was die Beweggründe für den Aufstand der Wagner-Söldner waren und was das für die Macht des russischen Präsidenten Wladimir Putin bedeutet.
Irina Scherbakowa von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial glaubt nicht an einen Putschversuch gegen Putin. Stattdessen habe Söldner-Anführer Prigoschin die russische Militärführung um Verteidigungsminister Sergej Schoigu zu Fall bringen wollen, so die Menschrechtsaktivistin.
Wagner-Aufstand ein Akt der Verzweiflung
"Ich glaube, das war ein Akt der Verzweiflung." Ab dem 1. Juli hätten sich die Wagner-Söldner nach den Bestrebungen der russischen Militärführung eigentlich in die Armee Russlands eingliedern sollen, erklärt Scherbakowa. Das habe Söldner-Führer Prigoschin gezwungen, zu handeln.
Auch die große Unzufriedenheit der Wagner-Söldner mit den mangelnden Erfolgen der russischen Armee sei ein Grund für den Aufstand gewesen. Aber die Kritik und offene Feindseligkeit der Wagner-Söldner habe sich immer gegen die russische Militärführung gerichtet, nicht gegen Putin, an den stattdessen sogar appelliert wurde, die Militärführung auszutauschen, so die Menschrechtsaktivistin.
Angst und Panik im Kreis um Putin
Dass die Wagner-Truppen dann aber ohne großen Widerstand bis kurz vor Moskau durchmarschieren konnten, habe alle überrascht. "Das war ein Auslöser für Angst und Panik." Die habe man auch bei Putin und seinem Führungskreis gesehen. Trotzdem sei der Wagner-Aufstand kein gezielter Putschversuch gegen Putin gewesen, betont Scherbakowa, da es auch keinen Plan gegeben habe, durch wen Putin hätte ersetzt werden sollen.