Interview - Experte: Aufstand hat Schwächen des Systems Putin offenbart
Nach etwa 24 Stunden war der Aufstand der Wagner-Gruppe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin am Wochenende schon wieder vorbei. Für Stefan Meister von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik haben die Ereignisse gezeigt, dass das System im Kreml doch nicht so handlungsfähig und stabil sei, wie man dachte.
Nur rund 200 Kilometer von der russischen Hauptstadt Moskau entfernt brach der Chef der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, am Samstagabend nach etwa 24 Stunden einen Marsch seiner Truppen überraschend wieder ab. Im Gegenzug verkündete der Kreml, dass Prigoschin und seine gesamte Truppe trotz des gewaltsamen Aufstands straffrei ausgehen sollen.
Für Stefan Meister, Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), hat der Söldnerchef mit dem Marsch zwei Sachen erreicht: Zum einen habe er sein eigenes politisches Überleben gesichert. Zum anderen habe er "die Schwächen des Systems Putin offenbart".
Meister: "Da war wirklich eine Kopflosigkeit zu sehen"
So sei deutlich geworden, dass das System im Kreml, "doch nicht so handlungsfähig ist und doch nicht so stabil ist, wie wir dachten". Dass es keine Truppen gegeben haben, die sich den Söldnern auf ihrem Marsch Richtung gegen Moskau entgegenstellen konnten, sei erstaunlich. "Da war wirklich eine Kopflosigkeit auch zu sehen, weil Putin scheinbar auch nicht wirklich Entscheidungen getroffen hat und die Realität nicht wirklich einschätzen konnte." Das hochpersonalisierte System in Russland sei in Krisensituationen de facto handlungsunfähig, meint der DGAP-Experte.
Putin sei nach den Ereignissen vom Wochenende angeschlagen. "Er hat nicht mehr diese Allmacht sozusagen, die für einen autoritären Führer wichtig ist." Der russische Präsident müsse jetzt zeigen, dass er durchgreifen kann. Meister erwartet deshalb Säuberungen im Inneren, um Härte zu zeigen. Ebenso geht er davon aus, dass es Aktionen geben werde, um Prigoschin zu eliminieren oder gefangen zu nehmen.