Griechen wählen neues Parlament

Alexis Tsipras bei der Stimmabgabe (Bild: imago/ZUMA Press)
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Bleibt die Linke in Griechenland am Steuer? Oder gewinnen die Konservativen? Knapp zehn Millionen wahlberechtigte Griechen sind am Sonntag dazu aufgerufen, über die Sitzverteilung im Parlament und damit auch über ihre nächste Regierung zu entscheiden. Die Wahl gilt als richtungsweisend für die künftige Spar- und Sozialpolitik des hoch verschuldeten Landes. In Umfragen zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Linken Alexis Tsipras und dem konservativen Herausforderer Vangelis Meimarakis ab. Wir haben für Sie Interviews und Hintergründe zum Thema zusammengefasst.

Meldungen

  • Tsipras und Meimarakis zuversichtlich

  • Parlamentswahl hat begonnen

  • Meimarakis wirft Tsipras Wählerbetrug vor

  • Tsipras gibt sich siegesgewiss

  • Umfragen weiter vage

Die Kandidaten

  • Der griechische ND-Politiker Evangelos Meimarakis (re.), hier mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei einem Treffen in Athenam 10.01. 2014 - Foto: dpa
    dpa

    Der neue Mann an der Spitze der griechischen Konservativen (Foto: hier bei einem Treffen mit Bundesaußenminister Steinmeier) versucht, mit seiner Bürgernähe seinem jungen Kontrahenten Alexis Tsipras paroli zu bieten. Das gelingt ihm erstaunlich gut.

    Meimarakis war stets ein treuer Parteisoldat. Als im Juli der frühere Parteichef Antonis Samaras ihn zu seinem vorläufigen Nachfolger ernannte, übernahm er klaglos das Steuer bei den angeschlagenen Konservativen. Großes Charisma versprüht Meimarakis nicht. Sein Vorteil ist: Er spricht wie ein einfacher Mann.

    Meimarakis' Familie stammt aus Kreta. Bereits sein Vater war Abgeordneter der Konservativen. Evangelos Meimarakis wurde in Athen geboren, studierte Jura und Politische Wissenschaft und begann seine politische Karriere 1974 in der Jugend der Nea Dimokratia. Seit 1989 wird er immer wieder ins Parlament gewählt. 2007 bis 2009 war er Verteidigungsminister, danach 2012 bis 2015 Parlamentspräsident.

  • Alexis Tsipras (Bild: dpa)
    ANA-MPA

    Der einstige Superstar der griechischen Politik hat sich verändert. Als er im Januar antrat, wollte er das Sparprogramm rückgängig machen. Er verhandelte mit den Geldgebern, vollzog dann eine Kehrtwende, als es schon nach Einigung aussah, und fragte die Griechen in einem Referendum, ob sie das von den Gläubigern vorgeschlagene Maßnahmenpaket akzeptieren oder nicht.

    Fast 62 Prozent lehnten es ab. Doch was machte Tsipras? Er stimmte neuen, noch härteren Auflagen zu. Die Renten und die Löhne wollte er erhöhen. Sie wurden gekürzt. Er startete als Idealist und wandelte sich immer mehr zum gewieften Machtpolitiker.

    Die Taktik, den Gegner ständig zu überraschen, beherrscht Tsipras seit jungen Jahren. Er durchlief einen klassisch linken Werdegang. Doch die vielen krassen Kehrtwendungen, die er in seiner kurzen Amtszeit als Ministerpräsident vollzog, haben ihm viele seiner klassischen linken Wählerinnen und Wähler nicht verziehen (von den Internationalen Geldgebern ganz zu schweigen).

Die Parteien

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  • Syriza

    Die Partei von Alexis Tsipras hat das Land von Ende Januar bis Ende August regiert. Syriza ist ein Sammelbecken linker Bewegungen. Falls das Bündnis wieder an die Macht kommt, will es eine Umstrukturierung der griechischen Schulden durchsetzen, das Sparprogramm aber einhalten.

  • NEA DIMOKRATIA (ND)

    Die von Evangelos Meimarakis geführte konservative Partei hat Griechenland 1981 in die Europäische Gemeinschaft (EG) geführt; sie spricht sich vehement für den Verbleib des Landes in der Eurozone aus.

  • GOLDENE MORGENRÖTE (XA)

    Die rechtsradikale Partei hetzt offen gegen Migranten. Fast gegen die gesamte Führung läuft derzeit ein Prozess wegen der Bildung einer kriminellen Organisation. Mitglieder der Ultrarechten sollen 2013 einen linken Rapper totgeschlagen haben.

  • DER FLUSS (To Potami)

    Die pro-europäische Partei wurde erst 2014 gegründet. In ihren Reihen finden sich zahlreiche Uni-Professoren und Journalisten. Die Partei fordert eine möglichst breite Zusammenarbeit der politischen Kräfte, um aus der Krise zu kommen.

  • KOMMUNISTISCHE PARTEI GRIECHENLANDS (KKE)

    Die Kommunisten sprechen sich für einen Austritt des Landes aus der Eurozone und der EU aus.

  • DEMOKRATISCHE AUFSTELLUNG

    Die panhellenische sozialistische Bewegung (Pasok) und die kleine demokratische Linke (Dimar) haben für die Wahl ein Bündnis gebildet. Die Pasok geht derzeit durch schwierige Zeiten. Die Wahl 2009 hatte sie noch mit rund 44 Prozent gewonnen. Heute kommt die Partei, die 2010 den Internationalen Währungsfonds und die Euro-Partner um Hilfe gebeten hatte, in Umfragen auf etwa 4,5 Prozent.

  • VOLKSEINHEIT (LAE)

    Die Partei ist durch die Spaltung der Syriza entstanden. Ihr Chef Panagiotis Lafazanis fordert den Austritt aus der Eurozone. Griechenland solle zudem seine Schulden nicht zurückzahlen.

  • UNABHÄNGIGE GRIECHEN (Anel)

    Die Führung der rechtspopulistischen Partei, einer Abspaltung der konservativen Nea Dimokratia, spricht von einer "Besetzung" Griechenlands durch die Geldgeber.

    Allerdings waren die Rechtspopulisten erst im Januar eine Koalition mit der Syriza eingegangen. Die Partei stimmte dem neuen Sparprogramm geschlossen zu. Laut Umfragen muss sie nun um den Wiedereinzug ins Parlament zittern.

  • ZENTRUMSUNION (Enosis Kentroon)

    Laut Umfragen könnte auch diese Partei ins Parlament einziehen. Ihr Chef, Vasilis Leventis, gilt als eine Kultfigur des griechischen Trash-Fernsehens der vergangenen Jahrzehnte.

Mögliche Szenarien

  • Eine Partei erreicht allein die absolute Mehrheit (unwahrscheinlich)

  • Syriza oder Nea Dimokratia führen eine Koalitionsregierung (wahrscheinlich)

  • Eine Koalition der nationalen Einheit (schwer vorstellbar)

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gibt am Abend des 5. Juli 2015 nach dem Referendum ein Statement ab. (Bild: dpa)
ANA-MPA

Was macht eigentlich... Yannis Varoufakis?

Als er noch im Amt als griechischer Finanzminister war, bestimmte sein Ringen mit den EU-Finanzministern über Monate die Schlagzeilen. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung kämpft Gianis Varoufakis um die Deutungshoheit - und schmiedet an einem Bündnis gegen die Finanzpolitik der Eurozone.

Chronologie der Schuldenkrise

  • Im Oktober 2009, zwei Jahre nach Ausbruch der internationalen Finanzkrise, räumt auch die griechische Regierung eine Notlage ein. Das Haushaltsdefizit - heißt es - sei doppelt so hoch wie bisher angenommen. 350 Milliarden Euro Schulden haben sich bereits angehäuft. Zuvor war Griechenland bereits in die Rezession gerutscht.

    Athen kündigt erste Sparmaßnahmen an. Wenig später stufen renommierte Ratingagenturen Griechenlands Kreditwürdigkeit herab. Die Angst vor einer Staatspleite geht um.

  • Das erste Sparprogramm in Griechenland ist angelaufen, Steuern werden erhöht, Löhne im öffentlichen Dienst gesenkt, Renten eingefroren.

    Die Finanzminister der Eurozone beschließen ein erstes Rettungspaket für Griechenland, gewähren Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro. Im Gegenzug verpflichtet sich Athen, noch rigoroser zu sparen. Zudem wird der Rettungsfonds EFSF gegründet, um in künftigen Notlagen schneller reagieren zu können. 

  • Griechenland rutscht immer tiefer in die Rezession, braucht noch mehr Geld. Erstmals wird über einen möglichen Austritt aus der Eurozone spekuliert.

    Wenig später beschließen die Euroländer ein zweites Rettungspaket, gewähren Athen erneut Kredite über mehr als 100 Milliarden Euro. In der griechischen Bevölkerung wächst derweil der Widerstand gegen den Sparkurs. Ein Generalstreik legt Griechenland weitgehend lahm.

    Im Oktober wird klar: Griechenland verfehlt die Sparziele. Auf zwei Gipfeltreffen ringen europäische Politiker und Banker um Wege zur Rettung. Am Ende stehen weitere Kredite und ein Schuldenschnitt. Private Gläubiger verzichten auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen. Nur wenige Tage später tritt die Regierung in Athen zurück. Die Arbeitslosenquote hat sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt.

  • Im März schrauben Ratingagenturen ihre Bewertungen für Griechenland erneut nach unten. Athen bekommt den ersehnten Schuldenschnitt: Die Umschuldung sieht vor, dass Banken, Versicherungen und Fonds Athen 53,5 Prozent ihrer Forderungen erlassen, zudem senken sie die Zinsen und verlängern die Laufzeiten der Anleihen.

    Die Euro-Finanzminister geben einen Teil ihres Hilfspakets frei. Im November räumen IWF und die Euro-Staaten den Griechen mehr Zeit für die Umsetzung der Sparvorgaben ein.

    Die nächste Tranche des Pakets wird freigegeben. Die Griechen wollen eine Auflage erfüllen und ihr Steuersystem umfassend reformieren.

     

  • Es gibt erste Lichtblicke für das krisengebeutelte Griechenland. Die Regierung in Athen erreicht im Parlament trotz z.T. heftiger öffentlicher Proteste und Streiks wiederholt Mehrheiten für den Sparkurs.

    Doch bei der Umsetzung der Auflagen kommen die Griechen nur langsam voran. Die Ungeduld in der Euro-Gruppe nimmt zu.

  • Nach langem Streit werden weitere Hilfs-Milliarden freigegeben. Griechenland gibt erstmals wieder Staatsanleihen aus. Die Hoffnung wächst, ohne ein drittes Rettungspaket auszukommen.

  • Januar: Das Syriza-Linksbündnis unter Tsipras gewinnt die vorgezogenen Wahlen mit gut 36 Prozent. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung des mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparkurses. Tsipras schmiedet ein umstrittenes Regierungsbündnis mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen.

    Februar: Die Euro-Finanzminister verlängern das Hilfsprogramm von Ende Februar bis Ende Juni 2015.

    Mai: Die Krise im pleitebedrohten Griechenland verschärft sich. Das Tauziehen um Reformen geht weiter. Tsipras gerät in der eigenen Partei unter Druck, weil der linke Flügel gegen weitere Zugeständnisse an die Geldgeber ist.

    Juni: Tsipras kündigt vor dem entscheidenden Treffen der Eurogruppe ein Referendum über die Sparvorschläge der Geldgeber für den 5. Juli an und zieht damit deren Ärger auf sich. Kurz vor dem Auslaufen des zweiten Hilfspakets bittet er um ein drittes Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM.

    6. Juli: Tsipras will nach dem Nein der Griechen zu den Sparvorgaben der Gläubiger neue Verhandlungen. Bei einer Abstimmung im Parlament über das Spar- und Reformprogramm verfehlt er deutlich eine eigene Mehrheit, doch die Opposition stimmt überwiegend mit Ja. Sein Finanzminister Gianis Varoufakis tritt zurück. Kurz darauf entlässt Tsipras zahlreiche Regierungsvertreter seines linken Partei-Flügels. Beim Ja des Parlaments zu einem zweiten Reformpaket verfehlt er aber wiederum die eigene Mehrheit.

    11. August: Tsipras kann die Experten der Gläubiger überzeugen: In den Verhandlungen über weitere Finanzhilfen bis zu 86 Milliarden wird eine Grundsatzeinigung erzielt. Aber der linke Syriza-Flügel läuft Sturm gegen die Sparmaßnahmen.

    14. August: Bei der Abstimmung über das neue Hilfsprogramm verfehlt Tsipras erneut eine eigene Mehrheit seiner Koalition. Aus Regierungskreisen heißt es, er wolle nach Zahlung der ersten Tranche der Finanzhilfe die Vertrauensfrage stellen.

    19. August: Der Bundestag stimmt weiteren Krediten zu. Die Euro-Finanzminister bewilligen die erste Kredittranche von 26 Milliarden Euro.

    20. August: Tsipras tritt zurück, um den Weg für zügige Neuwahlen zu ebnen. Wahrscheinlicher Wahltermin ist der 20. September.

    21. August: 25 Abgeordnete des linken Syriza-Flügels bilden eine eigenständige Parlamentsgruppe. Die neue Fraktion soll Volkseinheit (LAE) heißen. Nach dem Rücktritt von Tsipras erteilt Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos dem Chef der konservativen Nea Dimokratia ein dreitägiges Sondierungsmandat zur Bildung einer neuen Regierung. Es gilt als wenig aussichtsreich.