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Das ablaufende Jahr war kein gutes für die Popmusik. Zumindest wenn man sich anschaut, wie viele große Musiker in diesem Jahr verstorben sind: David Bowie, Prince, Leonard Cohen, Prince, David Bowie - und dann noch am Weihnachtstag George Michael. Hendrik Schröder erinnert an sie und weitere wichtige Künstler, die uns fehlen werden.
Das Popjahr 2016 beginnt mit einem Schock - am 10. Januar. "David Bowie ist tot" lautet die Nachricht. Die Öffentlichkeit kann es kaum glauben.
David Bowie
Bowie lebte seit Ende der 90er Jahre relativ zurückgezogen, gab jahrelang keine Interviews…dass er schon 2014 die Diagnose „Leberkrebs“ bekam, hatte er erfolgreich vor der Öffentlichkeit verborgen. Zwei Tage vor seinem Tod, an seinem 69. Geburtstag erschien ein neues, sein 25. Album. „Blackstar“. Bowie wußte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. "Look here, I´m in heaven" singt er in dem vorab ausgekoppelten Stück Lazarus.
Bowie war Zeit seines Lebens ein Künstler, der sich immer wieder neu erfand. Mal war er der bisexuelle Ziggy Stardust, mal der thin white duke. Musikalisch entwickelte er sich vom Glamrock zum Soul, nahm später auch Platten mit elektronischer Musik auf. Und bis heute streiten Fans darüber, ob Bowie nun den Sound der Zeit immer sehr gut erspürte und sich aneignete - oder ob er es sogar war, der neue Stile erfand und begründete. Vielleicht von beidem etwas.
Am Ende blickte David Bowie zurück auf eine 40-jährige Karriere und 140 Millionen verkaufte Platten. Er war im positiven Sinne besessen von seiner Kunst, schrieb laut einer britischen Zeitung sogar auf dem Sterbebett noch weiter an Songs und Texten.
Prince
Der frühe Tod von Prince am 21. April kam wohl noch unerwarteter. Prince wurde nur 57 Jahre alt, er starb an einer Überdosis des Schmerzmittels Fentanyl, dessen Wirkung 50 mal stärker als Heroin sein soll. Gerüchten zufolge hatte er vor seinem plötzlichen Tod eine radikale Entgiftung geplant. Zu spät.
Seinen Durchbruch als Popstar hatte Prince Ende der 70er Jahre mit dem Song "Wanna be your lover", mit "Purple Rain" machte er sich in den 80ern unsterblich. Prince war ein Exzentriker, ein Tausendsassa, und - was wegen seiner auffälligen Inszenierungen oft vergessen wird - ein musikalisches Genie. Er spielte Dutzende Instrumente und überließ auch seinen Sound selten exklusiv einem Produzenten, sondern fummelte selbst an den Reglern und Maschinen, bis ihm alles passte. Sein Studio-Anwesen Paisley Park soll jetzt ein Museum werden, das hatte Prince sich so gewünscht.
Leonard Cohen
Auch Leonard Cohen hatte ähnlich wie Bowie ganz kurz vor seinem Ableben ein neues Album veröffentlicht, "You want it darker" - ein Vermächtnis, ein Abschiedsgruß, selten klang er tiefer, brummiger, melancholischer als in diesen allerletzen Songs.
Leonard Cohen galt und gilt als einer der wichtigsten Songwriter überhaupt. Dabei konnte er, womit er selbst gern kokettierte, nur wenige Griffe auf der Gitarre. Seine Lieder waren in den besten Jahren eher vertonte Gedichte als komplexe Songs. Schon mit 15 schrieb er erste eigene Lyrik, veröffentlicht einige Bücher, bevor mit weit über 30 das erste Mal als Musiker auf einer großen Bühne stand. Der Erfolg kam und ging. In den 70ern waren seine Alben schlecht produziert, Cohen trank, nahm Drogen, rauchte jahrzehntelang Kette, schaffte in den 80ern dann ein Comeback und ging schließlich für fünf Jahre als Mönch in ein buddhistisches Kloster.
Ausgerechnet das Geld brachte den Buddhisten Cohen im höheren Alter wieder auf die Bühne. Er hatte existenzbedrohend hohe Schulden und beschloß einige Konzerte zu spielen, nur um die Rechnungen zu bezahlen. Doch die Shows waren derart erfolgreich, dass er wieder Freude am Texten fand und noch einige Alben machte, die wieder an früher erinnerten und die allesamt als würdiges Spätwerk vom Publikum aufgenommen wurden. Leonard Cohen starb Anfang November in seinem Haus in Los Angeles, im Schlaf, an den Folgen eines Sturzes. 82 Jahre wurde er alt.
George Martin
George Martin werden einige von Ihnen wohl nicht kennen. Aber das ist keine Bildungslücke, Martin wirkte eher im Hintergrund. Er war einer der wichtigsten Produzenten seiner Zeit. Wegen seines großen Einflusses auf den Sound der Beatles nannte man ihn auch : Den fünften Beatle. Ohne George Martin hätte es die Beatles in dieser Form wohl nicht gegeben. Bis auf eine produzierte er sämtliche Beatles Platten.
Martin war es, der den Beatles 1962 ihren ersten Plattenvertrag gab und damit den Weg frei machte zum Erfolg der Liverpooler. Drei Monate brauchte er damals nach einem ersten Treffen mit der Band, um schließlich Ja zu einer Zusammenarbeit zu sagen, die ersten Aufnahmen seien grauenhaft gewesen, verriet er später in seiner Autobiographie, aber er spürte wohl das Potenzial der Fab Four. In den folgenden acht Jahren sorgte er dafür, dass die so unterschiedlichen Charaktere sich nicht an die Gurgel gingen und brachte ihre Ideen auf einen Nenner. Die Arbeitsweise der Beatles sei, so ist es überliefert, so gewesen: Alle aus der Band spielten George Martin ihre Ideen vor und er arrangierte daraus dann einen Song.
Ein Gentleman sei George Martin gewesen, sagte Paul McCartney nach dessen Tod über ihn. Einer, der seine Verdienste für die Musikgeschichte nie vor sich her trug, sich lieber kleiner als größer machte. Auch nach der Auflösung der Beatles, der George Martin nur hilflos zusehen konnte, war er weiter im Geschäft. Er produzierte andere englische Bands, dann auch Soloalben von Paul McCartney bzw. seiner Band the Wings und Ringo Starr und brachte schließlich sogar ein eigenes Album heraus. George Martin starb am 8. März im stolzen Alter von 90 Jahren.
Keith Emerson
Der Keyboarder Keith Emerson galt schon zu Lebzeiten als Legende. Gitarrist, Bassist und Sänger Greg Lake war sein congenialer Counterpart. Sie waren Mitbegründer der Band Emerson, Lake and Palmer, mit der sie Millionen Platten verkauften und 1970 ihren größten Erfolg mit dem Stück Lucky Man feierten.
Greg Lake hatte Lucky Man noch zu Schulzeiten geschrieben, als 12-Jähriger, vier Akkorde konnte er gerade spielen auf der Gitarre, die ihm seine Mutter gekauft hatte. Die reichten. Am Ende des Stücks hört man ein Moog-Synthesizer Solo von Keith Emerson, damals einer der ersten, der das neu entwickelte Instrument benutzte. Wenig später fehlte es bei keiner Produktion sogenannter Progressive Rock Bands mehr. Auch Kraftwerk fanden später Gefallen an dem Moog. Emerson, Lake and Palmer lösten sich immer wieder auf, fanden neu zusammen, bis 1998 endgültig Schluß war. Nicht zuletzt weil Keith Emerson sich eine Verletzung an der Hand zuzog, die nie wieder ganz verheilte. Keith Emerson nahm sich im März das Leben, Gerüchten zufolge, weil er an einer schweren Herzkrankheit litt, Greg Lake erlag im Dezember den Folgen eines Infarkts.
Glenn Frey
Die Eagles waren Mitte der 70er die erfolgreichste Band der Welt. Und Glenn Frey war ihr Mitbegründer. Später sogar ihr kreativer Kopf. Glenn Frey wuchs in Detroit auf, spielte dort in verschiedenen Projekten, galt als sehr ehrgeizig und zog bald nach Los Angeles, weil er sich dort größere Chancen für eine Karriere erhoffte. Er schlug sich eine Weile mit Gelegenheitsjobs durch und gründete schließlich mit dem Schlagzeuger Don Henley die Eagles.
Die Eagles galten als Wegbereiter des California Rock, in ihren besten Jahren komponierten sie unentwegt, das Musikmagazin Rolling Stone nannte sie die damals wahrscheinlich verbissenste, fleißigste Band der Zeit. Wenn andere Party machten oder an den Strand gingen, dann blieben die Eagles zu Hause, schrieben Songs, soffen, schmissen Drogen ein. Als die Eagles Ende der 70er Jahre ihren Zenit überschritten hatten und sich auflösten, machte Glenn Frey solo weiter und konnte sogar noch einen großen Hit schreiben: the Heat is on, der durch den Film Beverly Hills Cop weltberühmt wurde. 1994 reformierten sich die Eagles, nahmen irgendwann sogar wieder ein neues Album auf. Im Januar starb Glenn Frey an den Folgen mehrerer chronischer Erkrankungen. Die verbleibenden Eagles Mitglieder schloßen danach ein Fortbestehen der Band ohne Frey kategorisch aus.
Wölli von den "Toten Hosen"
Auch die deutsche Musikszene hatte 2016 einige schwere Verluste zu bewältigen. Am 26. April starb Wolfgang Rohde, der ehemalige Schlagzeuger der Toten Hosen, von allen nur Wölli genannt. Ohne ihn hätten es die Toten Hosen wahrscheinlich nie so weit nach oben geschafft. Wölli war der zweite Drummer der Düsseldorfer Band. Er stieß 1986 zu den Hosen und schaffte mit der Band mit dem Song "Hier kommt Alex" den Durchbruch, Wölli blieb 15 Jahre bei der Band, die glücklichsten Jahre seines Lebens, wie er später sagte.
Wölli war deutlich älter als die anderen Bandmitglieder, als sein Körper irgendwann die stundenlangen Konzerte und monatelangen Touren nicht mehr mitmachen konnte, setzte sich die Band zusammen und trennte sich einvernehmlich, Wölli wollte der Band nicht im Wege stehen. Wölli starb im Alter von 66 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Beigesetzt wurde er im Gemeinschaftsgrab der Toten Hosen, das die Band Ende der 90er Jahre für sich und enge Weggefährten kauften, auch der ehemalige Toten Hosen Busfahrer Faust ist dort begraben.
Achim Mentzel
Einem breiten Publikum bekannt wurde Achim Mentzel erst, als man sich über ihn lustig machte. Satiriker Oliver Kalkofe veräppelte Mentzel immer wieder in seiner damals sehr beliebten Sendung "Kalkofes Mattscheibe" als singende Spreewaldgurke. Und Frohnatur Achim Mentzel war nicht etwa beleidigt deswegen, nein, er war höchst amüsiert und nahm Kontakt zu Kalkofe auf. Die beiden wurden Freunde, gingen später sogar gemeinsam auf Tournee. Nach Mentzels Tod twitterte Oliver Kalkofe: Mein Freund Achim ist im Gurkenhimmel. Danke für alles.
Achim Metzel wurde in Ost-Berlin geboren, lernte Polsterer, aber schon früh zog es ihn zur Musik, noch minderjährig gründetet er seine erste Band, sie coverten die Beatles und die Rolling Stones. Nach dem legendär eskalierten Konzert der Stones in der West-Berliner Waldbühne verboten die DDR Oberen Mentzels Band, frustrierte setzte sich der Sänger nach einem Konzert 1973 nach West-Berlin ab. Aber seine Versuche als Künstler auch im Westen durchzustarten floppten, er ging zurück in die DDR, wurde wegen Republikflucht zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Als die DDR in den letzten Zügen lag ging es für ihn noch mal aufwärts, er bekam seine eigene Fernsehsendung: Achims Hitparade, die er bis 2006 fast ununterbrochen moderierte.
Auch nach dem Ende der Sendung blieb Achim Mentzel präsent. 200 Auftritte spielte er bis kurz vor seinem Tod pro Jahr, in Autohäusern und zu Supermärkten. Er machte das gerne. Durch den Osten tingeln, durch die Kleinstädte - und den Leuten gute Laune machen. Achim Mentzel starb am 4. Januar in der Nähe von Cottbus im Alter von 69 Jahren.
Roger Cicero
Roger Ciceros Tod war tragisch. Mit 45 Jahren starb er, an einem Hirnschlag. Cicero hatte sich offenbar zu viel in zu kurzer Zeit zugemutet. Sein erstes Soloalbum, das 2006 heraus kam, verkaufte sich über eine halbe Millionen mal, seitdem war er nur noch unterwegs. Er arbeitete mit Größen wie Till Brönner und Bill Ramsey zusammen, sang Lyrik von Emily Dickenson, versuchte sich an der Seite von Heike Makkatsch als Schauspieler, vertrat Deutschland beim Eurovision Songcontest, wirkte später auch gemeinsam mit Xavier Naidoo bei der Show "Sing meinen Song" mit. Er gewann zahlreiche Preise, darunter den Echo und die Goldene Stimmgabel.
Roger Cicero war ausgebildeter Jazz Sänger, mit der Leidenschaft für die Musik wuchs er auf, sein Vater war ein berühmter Jazzpianist, eine Weile spielte Cicero sogar in der Band seines Vaters, als 12-Jähriger stand er schon auf der Bühne. Sein Weggefährte Xavier Naidoo nannte Cicero: "Die krasseste, beste Stimme, die wir in Deutschland je hatten". Roger Cicero starb am 24. März in Hamburg.
Viola Beach
Die junge Band Viola Beach aus Warrington in England war gerade auf dem Weg zum Erfolg. In Großbritannien erschien eine erste Single von ihnen, die BBC lud sie zu einer Newcomershow ein. Sie spielte ihren ersten Auslandsauftritt, in Schweden. Am Tag nach dem Konzert fuhr die vierköpfige Band mit dem Mietwagen zurück zum Stockholmer Flughafen. Südlich von Stockholm raste der Fahrer mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf eine Brücke zu. Die Brücke war für den passierenden Schiffsverkehr hochgezogen, der Fahrer ignorierte die roten Ampeln, überholte einige wartende Autos und fuhr mit 90kmh die Brücke hoch. Der Wagen fiel aus 25 Metern Höhe ins Wasser. Taucher konnten die Bandmitglieder nur noch tot aus dem Wrack bergen. Spätere Untersuchungen der schwedischen Polizei ergaben, dass der Fahrer wohl einen Auffahrunfall mit den stehenden PKW vermeiden wollte und die Warnzeichen für die hochgezogene Brücke übersehen hatte. Das Debutalbum von Viola Beach stieg nach dem tödlichen Unfall auf Platz Eins der britischen Charts.
George Michael
Und dann kam am Ende der Weihnachtsfeiertage auch noch die Meldung vom Tod George Michaels. Er wurde nur 53 Jahre alt, starb am 25. Dezember friedlich und im Schlaf in seinem Haus in der Nähe von London, wie eine englische Nachrichtenagentur berichtete. George Michael gehörte zu den größten Popstars der 80er Jahre. Mit seiner Band Wham schrieb er Musikgeschichte, die Hits „Wake me up“ und vor allem "Last Christmas" wurden millionenfach verkauft und im Radio gespielt.
Auch nach der Auflösung von Wham blieb George Michael ein erfolgreicher Solokünstler. Bis er in den 90er Jahren in eine schwere Krise geriet, nachdem erst sein Lebenspartner und dann seine Mutter starb. Michael trank zu viel, nahm Drogen, bekam schließlich einen Prozess an den Hals, für unzüchtiges Verhalten in einer Herrentoilette. Erst danach machte er seine Homosexualität öffentlich. Er habe seiner Mutter das nicht antun wollen, deswegen habe er sich nicht vorher dazu bekannt, sagte der Popstar später in einem Interview. George Michael war der erste Superstar der sich zu seiner Homosexualität bekannte, er unterstütze HIV Präventionsprojekte und setzt sich immer wieder für Schwulenrechte ein. Dafür feierte ihn die schwul-lesbische Community Zeit seines Lebens - und darüber hinaus.