Mann steht in Badehose am Beckenrand
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100 Sekunden Leben - Der Badehosenbeckenrandsteher

Das passt ja: Am Mittwoch sollen es in Berlin 24 Grad werden, und gleichzeitig beginnt die Berliner Freibadsaison. Das Prinzenbad in Kreuzberg macht den Anfang; am Donnerstag öffnen dann vier weitere Bäder (Wilmersdorf, Olympiastadion, Insulaner, Strandbad Wannsee). Unser Kolumnist Thomas Hollmann lässt seine Badehose aber lieber noch im Schrank.

Ich kann mir das gerade gar nicht vorstellen: ich in einer Badehose. Das ist doch recht wenig Textil und ein ziemlicher Gegensatz zum Wintermantel, den ich letztens noch anhatte.

Eine Badehose hat irgendwie etwas Unanständiges. Das fällt in einer Badeanstalt nur deshalb nicht auf, weil dort alle eine anhaben. Aber gehen Sie mal mit einer Badehose bekleidet einkaufen oder zur Arbeit. Da guckt bei Ihrer Powerpoint-Präsentation aber niemand auf die Leinwand.

Mit einer Badehose fühle ich mich immer underdressed. Erst recht, wenn das Wasser nur 18 Grad hat. Da würde ich nur dumm am Beckenrand stehen und mit meiner Fast-Nacktheit ein noch fragwürdigeres Bild abgeben als ohnehin schon. 18 Grad sind definitiv zu kalt für mich.

Aber mehr als 18 Grad wird das Wasser derzeit nicht haben. Außer in den vier Becken, die die Innen- und Chlor-Senatorin Iris Spranger nach stadtweiten Protesten gnädiger Weise auf 22 Grad anwärmen lässt. Was mir aber immer noch zu kalt ist.

Vier Becken. Bleiben die 40 anderen. Wenn man mit 40 überhaupt hinkommt. Gibt es in Berlin doch erstaunlich viele Badeanstalten, deren Aufgabe es offensichtlich nicht mehr ist, die Menschen zum Baden zu bringen, sondern zu sparen.

Aber wenn Berlin tatsächlich kein Geld hat, warum bullert dann in den Opern- und Abgeordnetenhäusern den ganzen Winter über die Heizung? Die Leute hätten doch auch Wärmflaschen mitbringen können.

Das ist überhaupt die Idee: Ich nehme eine Wärmflasche mit in die Badeanstalt. Oder besser gleich zwei. Eine schnall‘ ich mir mit dem Gürtel vor den Bauch und die andere auf den Rücken. Wenn schon, denn schon. Und wenn ich derart doppelbeflascht am Beckenrand stehe, ist das womöglich auch egal, dass ich nur eine Badehose anhabe.

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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.