Interview - Theologe: Barmherzigkeit des Papstes spricht Menschen an
Papst Franziskus vertrat laut dem Theologen Georg Essen auch Werte, die nicht religiöse Menschen ansprechen. Dass er kurz vor seinem Tod ausgerechnet noch den US-amerikansichen Vize-Präsidenten JD Vance traf, findet Essen tragisch.
Papst Franziskus ist tot und viele Menschen trauern. Der Theologe Georg Essen sagt, der Papst sei "Sinnbild für die Weltgemeinschaft der katholischen Kirche. Und da ist er doch eine sehr zentrale Figur, die es vermutlich in dieser Deutlichkeit kein zweites Mal auf dieser Erde gibt."
In Berlin und Brandenburg gibt es relativ wenige Katholiken. Essen, der Direktor des Zentralinstituts der Katholischen Kirche an der Humboldt-Universität ist, findet es mit Blick auf Menschen verschiedenster Religionen und Konfessionen faszinierend, dass in den Nachrichten zum Tod des Papstes zu lesen sei, dass "unglaublich viele Menschen betroffen sind". Ihm erscheint deutlich, dass beim Papst "seine Person, sein Charisma im Mittelpunkt steht, die Menschlichkeit."
Letzter Besucher beim Papst ärgert Esser
Dazu gehört für Essen, der von Franziskus noch im Präsens spricht, "dass er offenbar politisch auch Dinge tut, die sonst keiner mehr tut." Er erwähnt dessen Umgang mit Migranten, Flüchtlingen und Armen. "Und dass er hier das auf menschliche Weise lebt, was er Barmherzigkeit nennt. Und das scheint offenbar ein Wert zu sein, der auch Menschen anspricht, die selbst nicht religiös sind."
Und hätte Essen dem Papst am Osterstonntag einen anderen hochrangigen Besucher gewünscht als den US-Vizepräsidenten JD Vance? "Kurz und knapp", sagt der Theologe, "das ist das eigentlich Tragische und das ist das Ärgerliche, dass ausgerechnet die letzte politische Figur Vance ist, an dem man eigentlich den Konflikt, den ich anspreche, genau achblesen kann." Vance versuche für seine nationalistischen Ziele in den USA den Katholizismus zu vereinnahmen, so Essen. "Und der Papst hat ihm sehr deutlich widersprochen, dass es keinen Nationalismus gibt, der sich auf Religion und auf Katholizismus berufen darf."
Essen spricht im Interview auch über den realen Einfluss des Papstes auf die Politik. Und er gibt einen Einblick, was einige junge Menschen in Berlin dazu bewegt, sich dann doch dem Studium der katholischen Theologie zu widmen.