Interview - Marquardt (Grüne): Diplomatie mit der Türkei ist zu still geworden
Seit Tagen gibt es in der Türkei Massenproteste gegen Präsident Erdoğan. Der Europaabgeordnete Erik Marquardt (Grüne) findet, die EU müsse sich lauter gegen die Unterdrückung der Bevölkerung und autokratische Bestrebungen Erdoğans positionieren.
Auch am Wochenende sind in er Türkei wieder Hunderttausende gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und für den verhafteten Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu auf die Straße gegangen. Die Polizei geht teils mit brutaler Härte gegen die größtenteils friedlichen Demonstranten vor. Seit Beginn der Proteste sind laut Regierungsangaben rund 2000 Menschen festgenommen worden.
Laut dem Europaabgeordneten Erik Marquardt ist zu befürchten, dass die Proteste gewaltsam niedergeschlagen werden. Erdoğan habe schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er bereit sei, auch gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, wenn seine Macht in Gefahr sei.
Marquardt: Europa darf nicht still bleiben
Bisher hat man wenig Kritik aus Europa daran gehört, wie die türkische Regierung die Opposition ins Gefängnis steckt. "Wir haben bei der Türkei eigentlich schon die letzten zehn Jahre erlebt, dass sehr viel stille Diplomatie angewendet wird", sagt Marquardt. Er vermutet hinter diesem Vorgehen die Angst, Erdoğan könne mehr Geflüchtete nach Europa lassen, wenn er öffentlich kritisiert werde.
"Ich halte das für einen falschen Weg, die Diplomatie ist so still geworden, dass man glaubt, vielleicht findet sie gar nicht mehr statt", sagt Marquardt. Europa dürfe sich nicht nach dem Motto verhalten "Halt' uns doch bitte die Flüchtlinge vom Hals und dann kritisieren wir nicht, wenn du deine eigene Bevölkerung unterdrückst und eine zarte Demokratie in eine Autokratie verwandelst."
Nach Ansicht Marquardts muss die EU eine klare Sprache finden, wenn in der Türkei Oppositionelle eingesperrt werden. Darüber hinaus sollten auch Handelsbeziehungen oder Aufträge an die Bedingung geknüpft werden, dass Freiheitsrechte in der Türkei gewahrt werden, so der Grünen-Politiker.