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Interview - Politologin: USA werden zunehmend zum Unterstützer Russlands

Die Einstellung von Militärhilfen durch die USA wird ukrainische Leben kosten, sagt die Politologin Claudia Major. Die neue Rolle der USA stelle auch unsere Sicherheit in Frage.

US-Präsident Donald Trump hat die amerikanischen Militärhilfen für die Ukraine eingestellt – mit sofortiger Wirkung. Die Politikwissenschaftlerin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie befürchtet, "dass diese US-Entscheidung ukrainische Menschenleben kosten wird, weil sie sich nicht mehr so gut schützen können."

Trump wirft der Ukraine vor, bislang nicht zum Frieden bereit gewesen zu sein. Dem widerspricht Major. Selenskyj habe mehrfach unterstrichen, dass auch er den Krieg gerne beenden möchte – jedoch müsse ein Kriegsende abgesichert sein. Das, was bislang auf dem Tisch liege, käme einer Kapitulation der Ukraine gleich:

Major: Ukraine wird behandelt wie Verhandlungsmasse


"Trump hat […] noch bevor diese Verhandlungen begonnen haben zentrale russische Forderungen erfüllt: Keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine, Anerkennung der besetzten Gebiete – und die Ukraine sitzt gar nicht mit am Tisch. Das heißt: Über ihren Kopf hinweg wird verhandelt, als wäre sie Verhandlungsmasse und wäre gar nicht mehr souverän."

Das Schwierige dahinter sei, dass sich die Rolle der USA fundamental verändert habe: "Sie ist nicht mehr ein Unterstützer der Ukraine. Sie ist auch kein Vermittler mehr. Sondern sie wird zunehmend ein Unterstützer Russlands." Die Einstellung der Militärhilfen passe in eine systematische Linie der vergangenen Wochen:

Politologin: "In welchem politischen System wollen wir leben?"


"Wir hatten den US-Verteidigungsminister kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz, der sagte: Territoriale Integrität ist eine Illusion. Wir hatten Vizepräsidenten Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, der sagt: Die Europäer sind eigentlich ideologische Gegner. Wir haben den Präsidenten Trump, der Selenskyj einen Diktator genannt hat, der Russland rehabilitiert […] und damit letztlich die Botschaft sendet, dass sich Krieg führen lohnt, dass Russland damit durchkommt, wenn es lange genug durchhält."

Die Frage, ob Europa die Lücke der USA füllen könne, stellt sich für die Politologin nicht, sondern: "WIE kann Europa die Lücke füllen? Denn dass wir es machen müssen, das liegt für mich auf der Hand. Denn bei Verteidigung geht es letztlich um die Lebensversicherung von Staaten. Wollen wir, dass die Art des politischen Zusammenlebens, also Freiheit, Demokratie und den Wohlstand, wollen wir den verteidigen – oder nicht? In welchem politischen System wollen wir leben? So wie in Russland und Belarus oder eher so wie in der Europäischen Union?"

Die aktuelle Entwicklung gebe Anlass zu großer Sorge, so Major, und zu der Frage, "inwieweit durch das Zurückziehen der Amerikaner aus der europäischen Verteidigung das Risiko für uns selbst in Europa für kriegerische Auseinandersetzungen gestiegen ist."

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