In Gedenken an die ermordete Hatun Sürücü liegen ein Foto von ihr und Blumen an einem Gedenkstein für sie. (Archivbild)
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Mord an Hatun Sürücü wirkt nach - Bayram (Grüne): Brauchen "Mordmerkmal Femizid"

Vor genau 20 Jahren wurde die Berlinerin Hatun Sürücü von ihrem Bruder ermordet. Die Anwältin und Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne) erklärt, was nach ihrer Ansicht passieren muss, um ähnlichen Taten vorzubeugen.

Vor 20 Jahren wird die junge Berlinerin Hatun Sürücü von ihrem Bruder brutal ermordet. Frauen, die wie Sürücü Ambitionen gehabt hätten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sei damals "ein schreckliches Beispiel" gegeben worden, sagt Canan Bayram, Anwältin und Bundestagsabgeordnete vom Bündnis 90/Die Grünen.

Dass die beiden älteren aus Mangel an Beweisen freigesprochenen Brüder des Mörders nicht zur Rechenschaft gezogen worden seien, ist für Bayram "ein Beispiel, dass in archaischen Gesellschaften (...) der Jüngste, der die niedrigste Strafe zu erwarten, das sind manchmal Minderjährige, [dass] denen eine Waffe in die Hand gegeben wird und gesagt wird: Du bist jetzt derjenige, der diese Pflicht hat, die Ehre wieder herzustellen."

Bayram fordert "Mordmerkmal Femizid"


Auf die Frage, wie der Rechtsstaat mit diesem problematischen Begriff von Ehre umgehen könne und die Gleichberechtigung fördern könne, sieht Bayram die Notwendigkeit, im Strafgesetzbuch beim Mord ein Mordmerkmal Femizid zu verankern - um dann Höchststrafen auszusprechen. "Auf der anderen Seite muss halt jeder, der nach Deutschland kommt, gerade eben aus Ländern, in denen diese archaischen Strukturen teilweise heute noch gelebt werden, deutlich wissen, dass es hier etwas ist, wofür es eben eher eine härtere Strafe gibt."

Hintergrund: ein schwieriger Prozess

Nur wenige Tage nach der Tat nahm die Berliner Polizei Hatun Sürücüs Brüder Ayhan, Mutlu und Alpaslan fest. Im Juni 2005 klagte die Staatsanwaltschaft sie wegen gemeinschaftlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen an. Der 26-jährige Mutlu soll die Waffe besorgt und der 25-jährige Alpaslan seinen Bruder Ayhan zum Tatort begleitet haben, lautete der Vorwurf. Geschossen hatte der erst 19-jährige Ayhan, der auch als Einziger ein umfassendes Geständnis ablegte und sich selbst schwer belastete.

Im April 2006 sprach das Landgericht Berlin die zwei älteren Brüder trotzdem frei. Die Aussagen einer Zeugin seien nicht zuverlässig, weil sie vieles nur vom Hörensagen kannte, befand das Gericht. Der Jüngste, Ayhan, wurde nach Jugendstrafrecht wegen Mordes zu einer Haftstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein Jahr später kassierte der Bundesgerichtshof die Freisprüche, aber es war zu spät: Alpaslan und Mutlu hatten sich in die Türkei abgesetzt. Auch in einem folgenden Prozess in Istanbul wurden die beiden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

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