Eine Frau wirft in der Gironde in Frankreich ihren Stimmzettel in die Urne.
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Interview - Frankreichexperte: Sieg des Linksbündnisses ist nur "Schadensbegrenzung"

Frankreich hat ein neues Parlament gewählt und überraschend ist das Linksbündnis auf dem ersten Platz gelandet. Es habe den Zweck gehabt, die Rechtsnationalen zurückzudrängen, sagt Frankreichexperte Jacob Ross.

In der zweiten Wahlrunde in Frankreich wurde am Sonntag die neue Zusammensetzung der Nationalversammlung bestimmt - und entgegen vieler Erwartungen landete nicht das rechte Bündnis auf Platz eins, sondern das linke. Hier von einem Sieg zu sprechen, wäre aber falsch, ordnet Frankreichexperte Jacob Ross ein. Er ist Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Linke vor Europawahl noch zerstritten

 

Stattdessen sei das Ergebnis des Linksbündnisses nur eine "Schadensbegrenzung", so Ross. Das Bündnis habe sich als Zweckbündnis zusammengetan, um den Rechtsnationalen um Marine Le Pen etwas entgegen zu setzen. Es sei sehr breit gestreut, darunter Politikerinnen und Politiker, die vor der Europawahl noch zerstritten waren. Aber diese Zusammenarbeit und die vielen Stimmen seien "ein großer Erfolg".

Vorhersage zu künftiger Regierung sehr schwierig

 

Das Kalkül von Präsident Emmanuel Macron, mit der angesetzten Neuwahl eine eigene Mehrheit zu bekommen, sei nicht aufgegangen - er habe Sitze verloren und es sei nicht klar, dass seine Minister blieben, sagt Ross. Es sei schwierig abzuschätzen, welche Regierung es jetzt geben werde - das hänge auch maßgeblich davon ab, ob sich Macron doch noch durchsetzen werde und wie das Linksbündnis nun agiere.

Wahl in Frankreich

In Frankreich hat Premierminister Gabriel Attal seinen Rücktritt angeboten. Nach der zweiten Runde der Parlamentswahl hat er keine Mehrheit mehr im Parlament. Allerdings hat auch kein anderes Parteienbündnis eine regierungsfähige Mehrheit: Laut letzten Hochrechnungen hat das Links-Bündnis "Neue Volksfront" die Parlamentswahl gewonnen.

Rechtes Bündnis war bei erster Wahlrunde stärkste Kraft

 

Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron kommt demnach auf Platz zwei, vor dem rechtsnationalen Rassemblement National auf Platz drei. Das rechte Bündnis war bei der ersten Wahlrunde vor einer Woche noch klar stärkste Kraft gewesen.

Nach der Parlamentswahl in Frankreich erhebt das linke Bündnis Anspruch auf die künftige Regierung. Der Präsident habe die Pflicht, die "Neue Volksfront" zum Regieren aufzufordern. Das sagte der Politiker Jean-Luc Mélenchon, einer der Anführer des Bündnisses.

Unklare Koalitionsmöglichkeiten unter den Parteien

 

Allerdings schloss Sozialisten-Chef Gabriel Fauré eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Regierungslager von Präsident Macron aus. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen sprach von einem "aufgeschobenen" Sieg ihrer Partei; sie verwies darauf, dass der "Rassemblement National" im neuen Parlament Sitze hinzugewonnen hat.

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Die Nationalversammlung Frankreichs.
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In Frankreich ist der von vielen Beobachtern für möglich gehaltene Rechtsruck ausgeblieben. Zugleich büßt Präsident Emmanuel Macrons Mitte-Lager seine bisherige Mehrheit ein. Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid erwartet eine "Zeit der Ungewissheit und langen Regierungsbildung".