Interview - AWO-Chef zu Lindners Haushaltsplan: Geld in Deutschland wird falsch verteilt
Die Bundesregierung will mit ihrem neuen Haushaltsentwurf erneut die Schuldenbremse einhalten. Viele Sozialverbände befürchten dadurch massive Folgen für die soziale Infrastruktur. Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, fordert ein Umdenken bei der Haushaltsplanung.
Finanzminister Christian Lindner spricht von einem "Normalisierungshaushalt", mit dem die Rückkehr aus dem Krisenmodus geschafft werden soll. Die ganze Woche über wird im Bundestag über diesen neuen Etatentwurf der Bundesregierung diskutiert. Kritik am neuen Haushalt kommt dabei nicht nur von der Opposition. Auch die Wohlfahrtsverbände in Deutschland kritisieren die geplanten Einsparungen bei den Sozialleistungen.
Investitionen in Menschen statt Schuldenbremse
Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, befürchtet massive Folgen durch den Sparkurs der Bundesregierung, insbesondere für Menschen, die finanziell schlechter gestellt sind, aber auch für strukturell benachteiligte Stadtteile in Großstädten sowie für den ländlichen Raum.
Der AWO-Präsident kritisiert, dass die Regierung mit ihrem geplanten Haushalt nicht auf die Krisen im sozialen Bereich reagiert. "Ein starkes Gemeinwesen wird eben nicht durch die Schuldenbremse gerettet, sondern durch Investitionen in Menschen und Infrastruktur, die den Menschen hilft", so Groß.
Sozialausgaben als Frage der Verteilungsgerechtigkeit
Beschlossene Projekte der Bundesregierung wie etwa die Erhöhung des Bürgergeldes und die Kindergrundsicherung seien hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein, warnt der AWO-Präsident. "Wir sind natürlich der Meinung, dass die Bürgergelderhöhung richtig ist, aber sie reicht bei weitem nicht aus." Ähnlich sei es auch beim Thema Kindergrundsicherung. Auch hier sei die Reform ein wichtiger Schritt, sagt Groß, aber die finanzielle Ausstattung reiche nicht.
Dass laut des Finanzministers nicht mehr Geld für Sozialausgaben zur Verfügung stehe, ist für den Chef der Arbeiterwohlfahrt dabei eher eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. "Wir glauben, dass es möglich wäre, über progressivere Steuern mehr Geld in den Haushalt zu bringen." Das sei auch wichtig für die Kommunen, als diejenigen, die vor Ort für die soziale Infrastruktur sorgen müssen. "Wir glauben, dass Geld in Deutschland genügend vorhanden ist, es ist falsch verteilt."