Interview - Fücks: "Ukraine kann Verhandlungen nur aus einer Position der Stärke führen"
Gerade hat die Ukraine ihren Nationalfeiertag begangen - zum zweiten Mal überschattet vom Krieg. Ralf Fücks, Gründer der Denkfabrik "Zentrum Liberale Moderne", ist zurzeit vor Ort und erlebt eine Mischung aus verstärkter Kampfbereitschaft und Erschöpfung. Auf ihre Unabhängigkeit wollten die Menschen auf keinen Fall verzichten, sagt er.
Seit 18 Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Am Donnerstag hat das Land zum zweiten Mal überschattet vom russischen Angriff seinen Unabhängigkeitstag gefeiert. Ralf Fücks, Gründer der Denkfabrik "Zentrum Liberale Moderne", erlebt dieser Tage ein gemischtes Bild des Landes. Zwar sei die Situation militärisch sehr viel besser als bei seinem ersten Besuch im März 2022. Die Illusion eines normalen Lebens in der Ukraine sei allerdings trügerisch.
"Es gibt nach wie vor immer wieder Luftalarm, die allermeisten Menschen haben Verwandte, Freunde, Bekannte, die an der Front sind, es sind natürlich Zehntausende gefallen und verwundet worden", berichtet der frühere Grünen-Politiker und langjährige Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung aus Kiew. Insofern erlebe er eine Mischung aus verstärkter Kampfbereitschaft und Erschöpfung.
Fücks: Prinzipien internationalen Rechts verteidigen
Die übergroße Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukraine sei nicht bereit auf ihre Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität zu verzichten. Das habe auch einen Grund: Ohne eine Rückgewinnung der Küste am Schwarzen Meer sei die Ukraine ökonomisch nicht lebensfähig und gebe es keine Sicherheit für das Land. "Alle Vorstellungen, man könnte das Land teilen und dann zu einer neuen Normalität übergehen, sind reine Illusion."
Gleichzeitig gehe es darum, Prinzipien internationalen Rechts zu verteidigen: "Man kann nicht eine militärische Aggression und einen Vernichtungskrieg belohnen, indem man dem Angreifer noch Konzessionen macht." Fücks betont: "Die Ukraine kann Verhandlungen nur aus einer Position der Stärke führen."