Kind mit kaputten Socken
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Interview - Kinderhilfswerk: "Kindergrundsicherung verdient ihren Namen nicht"

Im diesjährigen Report des Deutschen Kinderhilfswerks geht es um das Thema Kinderarmut. Die Befragung zeigt, dass viele Familien dafür niedrige Löhne und hohe Wohnkosten als Ursache ausmachen. Präsident Thomas Krüger kritisiert, dass die geplante Kindergrundsicherung für eine wirksame Bekämpfung mit zu wenig Geld ausgestattet sei.

In Deutschland gibt es laut dem Kinderhilfswerk ein ansteigendes Problem: 5,67 Millionen Menschen haben Anspruch auf Sozialleistungen - jeder Dritte davon ist Kind beziehungsweise Jugendlicher, erklärt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes: "Und das macht deutlich, dass die Kinder- und Jugendarmut in Deutschland nach wie vor im Wachsen begriffen ist."

Die von der Bundesregierung geplante Kindergrundsicherung sei neben der Infrastruktur - wie der Kita und der Schule - für Kinder ein Schlüsselinstrument zur Bekämpfung der Armut. In ihrer Befragung des Kinderhilfswerks haben die Familien angegeben, dass niedrige Löhne gekoppelt mit hohen Wohnkosten dazu sämtliche Spielräume verstellten, selbst aus der Armutsfalle herauszukommen.

Kinderhilfswerk: Viele Befragte bereit, durch höhere Steuern Kinderarmut zu bekämpfen

 

Zudem zeige die Befragung eine hohe Bereitschaft durch höhere Steuern, die Kinderarmut zu bekämpfen. Das sei selbst unter den Wählern der FDP der Fall, berichtet Krüger. "Die 12 Milliarden, die die Familienministerin ins Gespräch gebracht hat, wären ein erster Schritt."

Allerdings geht das Kinderhilfswerk von höheren Summen und weiteren Anstrengungen aus. Die Lücke, um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, sei viel zu groß. Krüger sagt: "Und deshalb vierdient die Kindergrundsicherung, die derzeit diskutiert wird, ihren Namen nicht." Außerdem fordert er, dass es für Familien einfach werden soll, Leistungen zu beziehen.

Hintergrund

Mehrheit sieht zu wenig Engagement gegen Kinderarmut

Eine Mehrheit der Erwachsenen, Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist einer Umfrage zufolge der Ansicht, in Deutschland werde "eher wenig" oder "sehr wenig" gegen Kinderarmut getan. Die Mehrheit der Erwachsenen wäre demnach außerdem bereit, mehr Steuern zu zahlen, um Kinderarmut wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Ergebnisse sind Teil des "Kinderreports 2023" des Deutschen Kinderhilfswerks, der am Donnerstag in Berlin vorlegt wurde.

72 Prozent der Erwachsenen und 61 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben demnach an, aus ihrer Sicht werde in Deutschland "eher wenig" oder "sehr wenig" zur Bekämpfung von Kinderarmut getan. 22 Prozent der Erwachsenen und 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen finden, es passiere hier "sehr viel" oder "eher viel".

Das Kinderhilfswerk bekräftigte vor diesem Hintergrund seine mit anderen Verbänden seit Jahren erhobene Forderung nach Einführung einer Kindergrundsicherung, über die in der Ampel-Koalition weiterhin diskutiert wird. Es ergebe sich ein klarer Handlungsauftrag an die Politik, endlich wirksame und umfassende Maßnahmen gegen die Kinderarmut in Deutschland zu ergreifen.

Bei den möglichen Gründen für Kinderarmut gab es von den befragten Erwachsenen am meisten Zustimmung für die vorgegeben Antworten "weil viele Einkommen in Deutschland einfach zu gering sind" und "weil von Armut betroffene Kinder weniger Chancen auf einen guten Bildungsabschluss haben und sich Armut dadurch fortsetzt". Kinder und Jugendliche wählten am häufigsten die Antwort "weil viele Eltern zu wenig Geld verdienen".

Die Mehrheit der Erwachsenen wäre bereit, mehr Steuern zu zahlen, wenn damit Kinderarmut wirkungsvoll bekämpft werden könnte. Die Bereitschaft ist aber über die Jahre leicht gesunken. 66 Prozent der Erwachsenen sagten dazu 2014 "Ja", 2018 waren es 64 Prozent und in der aktuellen Befragung 62 Prozent. - dpa

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