Interview - Jugendpsychiater: Müssen über die Giftigkeit von Ecstasy aufklären
Der Drogentod mehrerer minderjähriger Mädchen - zumindest einer durch die Ecstasy-Pille "Blue Punisher" - hat Fragen nach einer neuen Ecstasy-Welle aufgeworfen. Der Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius befürchtet die nicht, fordert aber dennoch deutlich mehr Aufklärung und nimmt auch die Eltern in die Verantwortung.
Eine 15-Jährige in Rathenow, eine 13-Jährige in Mecklenburg-Vorpommern - die Meldungen über extrem junge Menschen, die an Drogen sterben, nehmen in letzter Zeit erschreckend zu. Zumindest im Fall der 13-Jährigen war die Ecstasy-Variante "Blue Punisher" für den Tod verantwortlich, die hohe Dosen des Wirkstoffs MDMA beinhaltet.
Der Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius leitet das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er erklärt, warum Drogen wie Ecstasy auf junge Menschen eine deutlich stärkere Wirkung haben als auf Erwachsene: "Minderjährige haben ein geringeres Körpergewicht […], ein geringeres Körperwasservolumen und infolgedessen ist die Giftigkeit solcher Substanzen deutlich höher als bei Erwachsenen."
Wirkstoff in Ecstasy heute um ein Vielfaches höher als in den 90ern
Ecstasy beinhalte heute viel mehr MDMA als noch in den 1990er-Jahren, sagt Thomasius: Damals seien etwa 50 Milligramm des Wirkstoffs in einer Tablette gewesen, heute seien es rund 150, im Fall der Tablette "Blue Punisher" gar bis zu 450 oder 470 Milligramm. Das seien "hochdosierte toxische Präparate, die sogar im Erwachsenenalter gravierende Schäden anrichten können", so der Mediziner.
Die jüngsten Fälle zeigen, dass die Konsumenten immer jünger werden, sagt Thomasius. Die Dealer würden immer skrupelloser, was das Alter ihrer Kunden anginge. Außerdem würden Drogen oft von älteren Jugendlichen an jüngere weitergereicht. Der Einstieg erfolge in aller Regel mit Cannabis: "Manche bleiben dann beim Cannabis stehen - und andere ergänzen das Cannabis mit diesen Stimulanzien."
Gegensteuern mit Aufklärung und Hilfe der Eltern
Eine neue Ecstasy-Welle wie in den 90er-Jahren befürchtet Thomasius nicht. Dennoch müsse um mehr solcher Fälle in der Zukunft zu vermeiden nun unbedingt die Prävention gestärkt werden. "Das [Ecstasy] ist in der Prävention in den letzten 15 Jahren etwas aus dem Auge verloren gegangen, weil die Zahl der Konsumierenden tatsächlich sehr stark zurückgegangen ist. […] Insofern müssen wir jetzt stark über die Giftigkeit dieser Substanzen aufklären."
Dabei will Thomasius auch die Eltern mit in die Verantwortung nehmen: Die aktuelle Elterngeneration habe selbst Erfahrung mit Drogen gemacht und wolle deswegen das Abstinenz-Paradigma nicht in die Höhe halten, aber "das Kind sollte in dem Moment, wo es konsumiert ganz klar wissen: Meine Eltern sind streng dagegen. Denn das macht was mit der eigenen Risikowahrnehmung."