Interview - Friedensgutachten 2023: Mehr Atomwaffen in Bereitschaft
"Noch lange kein Frieden" heißt das diesjährige Gutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute. Der Aggressionskrieg gegen die Ukraine sei eine Zeitenwende, sagt Projektleiterin Claudia Baumgart-Ochse. Die Situation sei hochgefährlich, es gebe eine Art Rüstungswettlauf, um Atomwaffen einsatzfähig zu machen.
Die Friedensgutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute gibt es seit 1987. Seit Russland im letzten Jahr die Ukraine angegriffen hat, habe sich die Sicherheitslage in Europa fundamental verändert, sagt die Projektleiterin Claudia Baumgart-Ochse vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Der Titel des diesjährigen Berichts lässt darauf schließen, dass diese Veränderung andauern wird: "Noch lange kein Frieden".
"Was wir auf jeden Fall wissen ist, dass dieser Krieg noch sehr lange dauern wird", sagt Baumgart-Ochse. Deutschland müsse sich darauf einstellen, dass die Ukraine noch lange Unterstützung im Krieg gegen Russland brauchen werde.
Baumgart-Ochse: Brauchen mehr Engagement für Rüstungskontrolle
Die Sicherheitslage in Europa sei derzeit so gefährlich wie lange nicht mehr. Russland habe mehrfach mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. "Zugleich gibt es so etwas wie einen Rüstungswettlauf", sagt Baumgart-Ochse. Andere Länder schafften derzeit zwar nicht unbedingt mehr Atomwaffen an, es würden aber immer mehr Atomwaffen in Bereitschaft versetzt. "Dazu kommt, dass viele Rüstungskontrollverträge, die genau diese Gefahren einhegen sollen, aufgekündigt wurden", so die Expertin.
Es brauche deshalb wieder mehr Engagement für Rüstungskontrolle. "Man muss ganz von vorne anfangen, vertrauensbildende Maßnahmen schaffen, man muss weitere Länder in die Rüstungskontrolle einbeziehen", sagt Baumgart-Ochse.