Interview - Oberstaatsanwalt: 1980 Verfahren gegen "Letzte Generation"
Seit Anfang letzten Jahres legen die Proteste der "Letzten Generation" regelmäßig den Berliner Stadtverkehr lahm. Wie sind die Aktionen aus rechtlicher Sicht zu bewerten? Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft Sebastian Büchner sieht in den Aktionen Straftaten - aber keine Anzeichen für eine kriminelle Vereinigung.
Die Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" blockieren Straßen, indem sie sich festkleben, aber sie haben auch schon mal Leitungen zur Raffinerie Schwedt unterbrochen. Sie sehen die Aktionen als legitimes Aufrütteln, fordern ein Tempolimit und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Staat und Gesellschaft blicken kritisch auf die Demonstrierenden, manche halten sie sogar für eine kriminelle Vereinigung.
Büchner: Auf die Straße kleben ist an sich keine Straftat
Der Berliner Staatsanwalt Sebastian Büchner hält das aktuell nicht für zutreffend. Die Mitglieder der "Letzten Generation" begingen zwar Straftaten, könnten also tatsächlich als kriminell bezeichnet werden. "Aber für diese Idee einer kriminellen Vereinigung muss das Ganze schon terrorismusähnlich sein, mit einer gewissen Erheblichkeit ausgestattet sein", sagt der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Diese Erheblichkeitsschwelle sei aus Berliner Sicht im Moment noch nicht überschritten.
Die Ziele der Klimaaktivisten seien grundgesetzlich verankert, betont Büchner. Und auch juristisch seien die Proteste nicht ganz einfach zu bewerten. Bei den Delikten handele es sich in der Regel um Nötigung und Widerstand gegen Staatsbeamte. Aber: "Die Straftat ergibt sich erstmal nicht daraus, dass die Klimaaktivisten sich auf die Straße kleben - sondern das ist erstmal ganz normal eine Demonstration, die von der Versammlungsfreiheit gedeckt ist", so der Oberstaatsanwalt. "Strafrechtlich relevant wird das Ganze dann, wenn die Polizei die Versammlung auflöst und dann die Klimaaktivisten eben nicht mehr von der Straße weichen können, weil sie sich ja festgeklebt haben."
Deutliche Mehrbelastung für Justiz und Polizei
Die Justiz habe durch die "Letzte Generation" sehr viel Arbeit, betont Büchner. "Es ist eine erhebliche Mehrbelastung, wir haben im Augenblick 1980 Ermittlungsverfahren, die eingeleitet worden sind." Zwei Abteilungen seien schwerpunktmäßig damit beschäftigt, die Verfahrensflut zu bewältigen. Auch bei der Polizei sei die Mehrarbeit durch die Klebeaktionen massiv.