Matthay fragt. - US-Präsidentschaftswahl: Droht eine Autokratie?
Für die US-Präsidentschaftswahl im Herbst sehen Demoskopen Donald Trump im Vorteil. Droht den USA bei einer erneuten Präsidentschaft die autoritäre Umformung des Systems oder kann ein nächster Aufstand gegen die amerikanische Verfassung abgewehrt werden? Sabina Matthay fragt den Politikwissenschaftler Stephan Bierling.
Der US-Präsidentschaftswahlkampf ist mit der TV-Debatte der beiden Kandidaten in die heiße Phase gegangen. Ob solche "presidential debates" der Demokratie dienen oder die Polarisierung vorantreiben? Der Politikwissenschaftler und USA-Kenner Stephan Bierling meint: "Wenn die Gesellschaft nicht so gespalten ist, dann können solche Debatten (…) durchaus dazu führen, dass man seine Meinung schärft, dass man die Kandidaten besser kennenlernt, dass man überhaupt sieht, wofür sie stehen."
In polarisierten Zeiten würden die Menschen sich aber nur noch für ihr eigenes Team und ihren eigenen Kandidaten aussprechen. Man wolle sich nicht mehr zuhören. "Das Zuhören, glaube ich, ist das Problem, nicht das Format."
Polarisierung der Gesellschaft unabhängig vom Wahlergebnis
Auch falls Biden am 5. November bestätigt wird, sei nicht alles wieder heil, sagt der Politikwissenschaftler: "Diese Polarisierung hat sich tief ins politische System hineingefräst. Und sie hat sich über Generationen entwickelt, das heißt, wir werden auch wahrscheinlich Generationen brauchen, um wieder aus ihr herauszukommen bei einem Wahlsieg von Trump." Auch in nur einer weiteren Amtszeit könne Trump viel anrichten. "Ob er Amerika in eine Diktatur umwandeln kann, wage ich zu bezweifeln. Aber die autoritären Tendenzen, die ihm immanent sind, das ist sein Kennzeichen, die werden natürlich auf jeden Fall schärfer werden."
Schutzmacht USA
Donald Trump will in einer etwaigen zweiten Amtszeit den radikalen Umbau des politischen Systems der Vereinigten Staaten vorantreiben. Das habe große Konsequenzen für die westlichen Verbündeten der USA, so Bierling: "Seit 1945 organisieren die USA nicht nur die Demokratien der Welt, sie verleihen ihnen im letzten auch ihre ökonomische und militärische Schlagkraft - und ohne das geht es nicht. Stünden wir ohne die USA da, wir würden unsere Werte kompromittieren, wir würden Kotau machen müssen vor den Putins und Xi Jinpings auf dieser Welt. Und das ist keine wirklich schöne Aussicht fürs 21. Jahrhundert."