Nachfolge von Klaus Wowereit - Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters – Warum nicht?
Klaus Wowereit will nicht mehr - die wichtigste Personalie der Hauptstadt steht zur Disposition. Jan Stöß, Raed Saleh oder Michael Müller – wer Regierender Bürgermeister wird, das entscheiden die rund 17.000 Berliner SPD-Mitglieder. Obwohl derjenige, der sich am Ende durchsetzt, nicht nur die Genossen, sondern rund 3,5 Millionen Menschen regiert. Wäre es nicht fairer, wenn wir alle an die Urnen dürften? Von Anna Corves
Mitbestimmen über ihren Regierenden Bürgermeister können die Berliner nur über die Wahl zum Abgeordnetenhaus, besetzt doch der Spitzenkandidat der siegreichen Partei das Amt. Das kann in der Wahlkabine zu einem Dilemma fühlen: Wenn der favorisierte Spitzenkandidat nicht der Partei angehört, die man eigentlich favorisiert. Dann muss man sich entscheiden, ob man eine eher programmatische oder eine Personen-Wahl trifft.

Bei der letzten Abgeordnetenhaus-Wahl 2011 haben 71,7 Prozent der Wähler NICHT SPD gewählt. Was übersetzt bedeutet, dass Wowereit als oberster Bürgermeister dieser Stadt über eine recht schmale Basis verfügt. Im Frühjahr dieses Jahres trauten die Berliner offenbar auch Innensenator Frank Henkel (CDU) dieses Amt eher zu, wie eine Forsa-Umfrage zeigte. Und auch wer 2011 für die SPD stimmte, wollte zwar vielleicht Wowereit stützen, nicht aber unbedingt einem Stöß, Saleh oder Müller in dieses Amt verhelfen.
All das führt schnell zu dem Gedanken, ob es nicht angemessen und demokratischer wäre, den Regierenden Bürgermeister direkt vom Volke wählen zu lassen. Eine Idee, die immer wieder mal aufkeimt. Jüngst etwa durch die Initiative "Außerparlamentarische Ergänzung", die ein Volksbegehren für Neuwahlen auf den Weg bringen wollte. Aber auch 2001, als Linken-Politiker Gregor Gysi, damals PDS-Spitzenkandidat, mit Wowereit um das Amt konkurrierte, wurde die Forderung nach einer Direktwahl laut – eine verfassungspolitische Forderung.
Hohe Hürde für Verfassungsänderung
Denn in Abschnitt IV, Artikel 56 der Verfassung von Berlin steht klipp und klar: "Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses gewählt." Hintergrund für diese Regelung ist, dass Berlin ein Stadtstaat ist, der Regierende Bürgermeister sozusagen Bürgermeister und Ministerpräsident in Personalunion ist - und Ministerpräsidenten werden auch nicht direkt gewählt. In den anderen beiden Stadtstaaten, Hamburg und Bremen, ist daher der Rechtsrahmen ähnlich wie in Berlin. Um hier die Verfassung zugunsten einer Direktwahl zu ändern, müssten – nach Artikel 100 – mindestens zwei Drittel der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses zustimmen. Eine hohe Hürde.

Ein direkt gewählter Regierender Bürgermeister hätte natürlich eine sehr starke Legitimation durch die Bürger – aus ihrer Sicht ist eine Direktwahl daher durchaus attraktiv. So könnten auch Personen ins Amt gehievt werden, die in der Bevölkerung beliebt sind, über ihre Parteien aber nicht den Regierenden Bürgermeister stellen könnten – siehe Gregor Gysi. Abseits der Stadtstaaten, auf kommunaler Ebene, wo man die Bürgermeister direkt wählen darf, gibt es dafür anschauliche Beispiele: Aktuell etwa in Eberswalde, wo im September 2014 ein Liberaler den Bürgermeistertitel verteidigte – obwohl die FDP aus dem Landtag flog. Oder, fast schon traditionell, im CSU-regierten Bayern, dessen Landeshauptstadt seit nunmehr drei Jahrzehnten von "Sozis" gelenkt wird.
Allerdings gab es Direktwahlen auch in den "normalen" Kommunen in Deutschland keineswegs schon immer. Dass die Bürger ihre Bürgermeister selbst wählen dürfen, setzte sich erst in den 1990er Jahren durch – zuvor war das nur in Baden-Württemberg und Bayern erlaubt. Der Wunsch der Bürger nach mehr Mitbestimmung trieb die flächendeckende Ausbreitung des Verfahrens voran – im Saarland etwa trug 1994 ein Volksbegehren zur Einführung der Direktwahl bei. Was natürlich nicht auf die Berliner Stadtstaaten-Situation übertragbar ist – aber zumindest zeigt, dass auch Wahlrechte nicht unveränderlich sind.