- Der Möckernkiez
In unmittelbarer Nähe des Kreuzberger Parks am Gleisdreieck - zwischen Möckern- und Yorckstraße - ensteht ein hoch-ambitioniertes Quartier: Junge und Alte, Behinderte und Nicht-Behinderte sollen hier leben, ökologisch soll das Quartier sein und offen für die Nachbarschaft. Die "Genossenschaft Möckern-Kiez" arbeitet seit Jahren an diesem Projekt und finanziert es auch.
Für ein Interview haben die Genossen leider keine Zeit. Denn wichtige Finanzierungsgespräche mit den Banken stehen an, sagt die Assistentin des Vorstands. Laut Prospekt hat der Traum vom ökologischen, auto- und barrierefreien Mehrgenerationenquartier ein Finanzvolumen von 80 Millionen Euro, am Ende könnten es auch 100 Millionen sein, vermuten Insider.
Nahe der Baustelle der Genossenschaft Möckernkiez wohnt Christian Schmidt-Hermsdorf. Der Architekt kennt viele der Möckern-Kiez-Genossen. Gemeinsam hat man sich für behutsame Stadterneuerung engagiert und gegen steigende Mieten und Nachbarschaftsfeste organisiert. Dem 74jährigen gefällt, dass der Möckernkiez seit Jahren von Jungen und Alten geplant und später auch bewohnt wird. Denn Alte haben es auch in Kreuzberg oft schwer, die Mieten zu bezahlen.
Christian Schmidt-Hermsdorf: "Gerade die Alten sind mittlerweile bedroht: da wird keine Rücksicht mehr genommen – die werden auch zwangsgeräumt, wenn es drauf ankommt. Das ist das Beschämende hier im Kiez. Wie wir das verhindern können - darüber sind wir alle ratlos."
"Es ist eben mehr Aufwand für die Banken, mit vielen Bauherrn zu verhandeln"
Geld muss man schon haben, um sich in die Genossenschaft Möckernkiez einzukaufen. Anfangs 30, nun 40% der Baukosten pro Quadratmeter sind als Einlage aufzubringen - 80.000 Euro für eine 100 qm-Wohnung. Und später kommt noch ein monatliches Nutzungsentgelt hinzu - 10 vielleicht 11 Euro pro Quadratmeter, Nebenkosten inbegriffen. Constance Kremer von der Stadtentwicklungsgesellschaft "Stattbau" hat die Initiative Möckernkiez drei Jahre beraten. Sie kennt die Finanzierungsprobleme beim genossenschaftlichen Neubau.
Constance Kremer, Geschäftsführerin von "STATTBAU Berlin": "Für Banken sind Genossenschafts-Projekte noch etwas Besonderes. Es ist eben mehr Aufwand, mit vielen Bauherren zu verhandeln - die Menschen wollen da auch ganz gerne mitreden, und das macht es für Banken nicht einfach."
Das Erfolgsgeheimnis: ein langer Atem
1140 Mitglieder hat die Genossenschaft Möckernkiez, und viele haben sich intensiv an der Planung des 30 Hektar großen Geländes beteiligt, das nicht nur Platz zum Wohnen, sondern auch Raum für eine Kiez-Werkstatt, ein Jugenzentrum, eine Demenz-WG und ein Hotel bieten soll.
Constance Kremer: "Zu einem Workshop sind 150 Menschen genommen und wir haben die Bauklötze in die Hand genommen und darüber gesprochen: Wo sollen Freiräume entstehen, wo können die Kinder spielen, wo sollen sich Ältere in Ruhe begegnen, und das hat natürlich eine Weile gedauert, aber dafür muss man sich auch Zeit nehmen.
Nach sieben Jahren Diskussionen und gemeinsamer Planung wird nun also gebaut. In diesem langen Atem sieht Constance Kremer das Erfolgsgeheimnis.
Constance Kremer: "Man braucht schon viel Idealismus, und man braucht eine Vision, vom eigenen Projekt und von der Stadt. Sonst kann man nicht so lang dabei bleiben."
Senat sollte mehr genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern
Da Genossenschaften kein Modell sind, um Gewinne zu maximieren, senken viele von ihnen die monatlichen Nutzungsentgelte - sobald die Genossenschaft schuldenfrei ist. Das wirke sich dann auch dämpfend auf die Mieten der Umgebung aus.
Constance Kremer: "Wir wünschen uns noch viel mehr genossenschaftlichen Wohnungsbau. Dann würde dieser dämpfende Effekt noch viel stärker sein."
Das setzte aber voraus, dass der Senat nicht nur die städtischen Projekte und Gesellschaften fördert sondern stärker als bisher auch den genossenschaftlichen Wohnungsbau.
Sinkende Mieten wünscht sich auch Christian Schmidt-Hermsdorf. Viele Menschen in der Nachbarschaft haben zu kämpfen, sagt der 74-Jährige: ein Viertel sei arm, ein Viertel prekärer Mittelstand. Dass das Neubauprojekt der Genossenschaft die Mieten in der Umgebung nach oben treibt, befürchtet er nicht und lächelt verschmitzt.
Christian Schmidt-Hermsdorf: "Aber es ist besser, wenn gut Situierte in Neubauten einziehen und nicht die Altbauten besetzen."