10 Ideen - Das braucht Deutschland - Idee 1: Filmproduzent Nico Hofmann
Wie haben unsere Mütter, unsere Väter während des Weltkriegs gehandelt und gelitten? Diese Frage stellte vor ein paar Jahren ein - auch im Ausland - sehr beachteter Fernseh-Dreiteiler. Produzent Nico Hofmann hat damit ein großes deutsches Thema an ein Millionen-Publikum gebracht. So wie das der UFA-Chef auch mit vielen anderen zeitgeschichtlichen Stoffen gemacht hat: Ob vom Holocaust, von Flucht oder Terror erzählt wurde oder die Dresdener DDR-Saga "Der Turm". Hofmann zeigt Gespür für das kollektive Gedächtnis der Deutschen. Und er nimmt öffentlich Stellung.
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Christian Wildt: Willkommen Nico Hofmann.
Nico Hofmann: Ja, ich freu mich. Herzlich Willkommen, danke.
Christian Wildt: Schön, dass sie da sind. Erste Frage an sie: Ganz persönlich, dass sie sich solchen Stoffen immer wieder nähern, hat das mit ihrer persönlichen Geschichte zu tun? Gab es mal in der Jugend, in der Kindheit ein Schlüsselerlebnis, wo sie sagten: Die Geschichte ist so wichtig, die lässt mich nicht los?
Nico Hofmann: Also das hat fundamental mit meiner Familiengeschichte zu tun. Ich komme ja aus einer Journalistenfamilie, meine Eltern sind sehr alt mittlerweile, mein Vater ist 92, das heißt: Beide Elternteile haben den Krieg sehr bewusst erlebt und gerade die Geschichte meines Vaters findet sich ja in "Unsere Mütter, unsere Väter" wieder. Das hat natürlich sehr, sehr stark auch mit Familiengeschichte zu tun. Auch mit verdrängter Familiengeschichte muss man sagen. Also ich bin in der Tat durch eine lange Beschäftigung mit meiner eigenen Familie auf diesen ganzen Themenkreis gestoßen. Und wir haben ja nicht nur "Unsere Mütter, unsere Väter" als Dreiteiler in die ganze Welt gebracht, es gehört auch "Stauffenberg" dazu, auch damals "Die Flucht" mit Maria Furtwängler. Es gehört "Rommel" dazu, es gibt viele, viele Themenbereiche, gerade im Nationalsozialismus, die mich sehr interessiert haben.
Christian Wildt: Ja, die kann ich gar nicht alles aufzählen. Die ganzen Stoffe und immer wieder kommt was Neues dazu, gerade war was im Fernsehen zum Holocaust. Eine Familie, die auseinandergerissen wird, die Schwierigkeit des Rückkehrers nach Deutschland, mit Redlichkeit wieder seine Karriere fortzusetzen als Mann im juristischen Apparat. Immer wieder kommt das, das sind so Schlüsselereignisse, Schlüsselerfahrungen. Warum interessieren Sie die genau?
Nico Hofmann: Ich würde mal ganz provokant sagen, es ist im Grunde genommen die Gegenwelt der momentanen AfD-These, also Stichwort "Denkmal der Schande". Ich bin wirklich geprägt von dieser sehr speziellen Familiengeschichte und ich bin der Meinung, dass man in diesem Land überhaupt nur bewusst leben kann , wenn man mit seiner eigenen Geschichte - ich nehme jetzt mal wirklich die eigene private Familiengeschichte, die in jedem Fall dann auch natürlich politisch wird, in meinem Fall ist sie das, weil mein Vater als Soldat in diesem Krieg gekämpft hat - wenn man damit sehr bewusst umgeht. Also ich bin auch der Meinung, dass diese ganze Begrifflichkeit, die die AfD im Moment überhaupt neu geschaffen hat, komplett fehl am Platz ist, weil ich glaube, das Selbstbewusstsein der Deutschen, auch das sehr, sehr gesunde Selbstbewusstsein, das ich im Moment empfinde, kommt gerade daher, dass wir sehr, sehr bewusst mit unserer Vergangenheit umgegangen sind und darauf bin ich jetzt offen gestanden auch sehr stolz. Also ich finde, man muss gar kein Mahnmal der Schande ausrufen, "der Schande" ist übrigens auch der falsche Begriff, für das Ermorden von Millionen von Menschen ist der Begriff Schande schon mal völlig falsch: Das ist ein Verbrechen an der Menschheit. Aber ich bin eigentlich sehr stolz, wie Deutschland die letzten Jahre mit seiner eigenen Geschichte immer wieder umgeht. Und da haben die Filme natürlich einen ganz zentralen Bestandteil auch gespielt.
Christian Wildt: Aber es ist doch die negative Seite, um mal jetzt diese Sichtweise der Kritiker noch mal zu holen. Die sagen: Warum immer das Negative betonen?
Nico Hofmann: Ich finde den ganzen Begriff "negativ" schon mal falsch. Wenn ich mir die Filme nehme, die ich in den letzten 10, 15 Jahren produziert habe: Die Filme sind ja immer filigraner und genauer geworden. Also der letzte Film war jetzt "Landgericht", das ist ja eine fast schon mosaikartig genaue, authentische, journalistische Geschichte, die Ursula Krechel da zusammenrecherchiert hat. Und die Zuschauer gehen darauf ein. Also das ist der Appetit und das Interesse, in die Genauigkeit von Geschichte reinzugehen, das wird eher immer größer. Das empfinde ich nicht als negativ. Ich finde, das ist eine riesige Befreiung, wenn man auch in dieser Emotionalität und Genauigkeit mit seiner eigenen Geschichte umgeht.
Christian Wildt: Was bedeuten denn die Erfahrungen aus der Geschichte, Sie haben ihre Eltern erwähnt, aber auch von anderen, die was erlebt haben, für das, was wir heute erleben? Kann man diese Erfahrungen mobilisieren oder bleibt das bei den Gefühlen? Also in der Erinnerung.
Nico Hofmann: Ich glaube, dass wir in einer Gesellschaft leben, die sehr, sehr bewusst mittlerweile damit umgeht. Also ich kann nur das noch mal wiederholen. Ich merke an meinem Publikum auch, wie differenziert und wie genau Publikum mit diesen Filmen umgeht. Es werden noch die Dokumentationen danach genau geschaut. Wir werden es noch erleben, dass "Das Landgericht" von Ursula Krechel noch mal im Buchladen nachgefragt werden wird. Bei Tellkamp ("Der Turm") war das so, der Film hat noch mal einen enormen Schub auf die Literatur gegeben. Ich finde, es entsteht ein wesentlich differenzierteres Geschichtsbild über uns selbst und ich finde den Appetit der Deutschen, sich noch mal dem zu stellen und sehr, sehr bewusst mit diesem Land und seiner Geschichte umzugehen, das ist ja eine Anti-AfD-Position. Also die AfD tut ja dauernd so... ich finde diesen Auftritt Höckes wirklich bedrohlich für mich selbst, ja, wenn man den ganzen Auftritt bei Youtube sich anschaut, wo er diesen "Mahnmal der Schande"-Satz gesagt hat. Wenn man den Kontext sieht, wird der Kontext ja sehr, sehr klar. Das ist eine Welt, in der ich absolut nicht leben will. Ich finde, das ist eine Welt der Vereinfachung, eine Welt des falschen Jähzorns auch und auch philosophisch gesehen ein völlig falscher Ansatz. Also ich bin der Meinung, je bewusster du mit deiner eigenen Geschichte umgehst, das ist auch ein regelrecht therapeutischer Ansatz, je stabiler, je geradliniger, je klarer kannst du auch mit deinem eigenen Leben auftreten und deshalb bin ich über die Art der Vergangenheitsbewältigung gerade in Deutschland, kann man wirklich sagen, die letzten Jahrzehnte sehr, sehr froh.
Christian Wildt: Aber es hat sich ja was verändert in der Welt. Sie haben selber die entsprechenden Stichworte schon genannt. Was bedeuten denn die aktuellen Veränderungen für Sie im Moment? Wie kommt das an und wie kommt das womöglich unterschiedlich in Deutschland an bei den Menschen?
Nico Hofmann: Also wenn ich ganz ehrlich bin, finde ich die Weltsituation zum allerersten Mal wirklich beängstigend. Ich bin ein angstfreier Mensch, also ich habe gestern zu meiner Mutter gesagt: Das letzte Mal, dass ich solche Angst gefühlt habe, war bei der Stationierung der Pershing-Raketen, das war, glaube ich, 1983. Ich habe zum ersten Mal wirklich wieder Angst. Vor ein paar Wochen, da wurde ich übrigens gefragt: Wollen sie Donald Trumps Leben verfilmen? Was ich natürlich nicht will! Ich habe gesagt, wörtlich: Das müssen Amerikaner machen. Ich habe im zweiten Satz gesagt, der ist aber nirgendwo zitiert worden, ich habe gesagt: Ich bin überrascht, wie viele Menschen damals, direkt nach der Wahl der Meinung waren, es wird schon alles nicht so schlimm! Also viele Kollegen von mir waren der Meinung, wir tun gut daran, Ruhe zu bewahren und wir schauen uns das mal in Ruhe an. Also ich kann nur jeden davor warnen, sich das in Ruhe anzuschauen! Also das schwappt in einer Geschwindigkeit in unser Leben, auch ins politische Leben. Ich finde es unerträglich. Ich finde es unerträglich, dass sich ein Staatsmann eines anderen Landes in mein Lebensgefühl, in meine politische Wirklichkeit, auch in mein Solidarsystem, was ich hier in Deutschland empfinde, in Europa empfinde, einmischt auf diese unangenehme Art und Weise. Und ich glaube, wir können uns nur warm anziehen. Ich finde Merkels Reaktion da sehr richtig, weil sie sehr kühl bleibt, aber bei dem Kühlbleiben wird es die nächsten Monate nicht bleiben. Ich glaube, dass da einiges auf uns zukommt.
3 Kommentare
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"...wo es den Deutschen so gut geht, wie seit 20 Jahren nicht mehr."
Phrasen, Phasen. Wer soll das sein, wen meint er, wenn er hier über DIE DEUTSCHEN spricht? - Wenn ich durch die Straßen der Stadt gehe, begegne ich vielen Menschen aller Nationalitäten, allen Alters. Wer unter diesen diejenigen sind, von denen Herr Hofmann spricht, ich weiß es nicht.
Mir auffällig, jährlich werden es mehr, die betteln, die in Abfällen nach noch Brauchbarem suchen, deren Geld nicht bis Ultimo reicht.
Die BRD hat offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zur Nation. Andernorts wird der Helden und Sternstunden gedacht, bei uns der Katastrophen und Niederlagen. Und so erfahren unsere Kinder vom Kaiserreich nur WK I und „Völkermord“ an den Hereros, von der DDR nur Diktatur, Mauer, Stasi, Umweltzerstörung - alles nur Schimpf und Schande. Das Staatsvolk der BRD sind einfach „Menschen“, die länger oder kürzer hier weilen. Aber ohne Nationalbewusstsein wird keiner SEIN Land schützen und erhalten.