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Der monströse Kerzenständer, das neue Album dieser angesagten Hip-Hop-Combo - jedes Jahr wieder kommt ein neues Geschenk dazu, das man sich niemals selber aussuchen würde. Was tun - darf man Geschenke weiterverschenken? Judith Kochendörfer findet: Ja!
Als Agatha Christies Meisterdetektiv Hercule Poirot seinen Freund Hastings vom Bahnhof abholt, hat der unhandliches Gepäck im Arm. Hastings war Krokodile schießen in Südamerika und hat als Mitbringsel für Poirot einen Kaiman ausstopfen lassen.
Dummerweise ist das Tier anderthalb Meter lang. Und stinkt. Und in Poirots penibelst aufgeräumte Art-Déco-Wohnung will es auch stilistisch nicht so recht hineinpassen. Was tun?
Bei zwei und mehr Schenkpflichttagen im Jahr sammelt sich im Laufe des Lebens schon manches an, das der Beschenkte a) nie wollte, b) nie brauchte, oder c) schlicht und ergreifend nicht mag. Das an sich ist jedoch nicht das Problem. Zum Problem wird es erst, wenn man diese Dinge wollen, brauchen und mögen SOLL.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, einem erwachsenen Menschen mit ausreichend Einkommen jedes Jahr aufs Neue Sachen zu schenken, die für ihn großen Wert haben. Mit solchen Erwartungen verbunden wird das Schenken - und das Empfangen - zum Stress. Beim Schenken geht es doch um die Geste, das Zeichen der Wertschätzung. Das verschenkte Objekt selbst ist zweitrangig und darf bei Wohnungsverstopfung selbstverständlich weiterverschenkt, gespendet oder notfalls nach gewisser Karenzzeit auch weggeworfen werden.
Wer nachfragt - oder schlimmer: nachschaut, was aus seiner Gabe geworden ist, dem geht es vor allem um Selbstbestätigung. Die rosa Porzellanschale von Nanu Nana? Ups, runtergefallen! Die Kissenhülle mit total lustigem Spruch drauf? Hat leider einen riesigen Fettfleck abbekommen! Das übelriechende Parfüm? War so toll, schon nach 5 Tagen aufgebraucht!
Unerfüllbare Ansprüche loszulassen befreit nicht nur den Schenker. Wenn ich auch als Empfängerin nicht von mir erwarte, alles behalten und benutzen zu müssen, KANN ich mich lustigerweise auch über alles freuen. Dann gilt mein ehrlicher Dank nämlich der Tatsache, DASS mir geschenkt wurde, und nicht WAS.
Poirot, der Meisterdetektiv mit dem unerwünschten toten Krokodil, war schließlich das Glück hold. Zeigte er sich anfangs wahrhaft erfreut und hielt es eine Weile in seiner stinkenden Wohnung aus, offenbarte sich dann ein Bekannter als großer Bewunderer des Präparats. Manche Geschenke finden irgendwann schicksalhaft auch ihre wahre Adresse.