- "Wer schlägt, klaut oder trinkt - der fliegt"

"Check in Berlin" – so heißt die Langzeitbeobachtung im Inforadio, in der es um das Leben der Flüchtlinge im ehemaligen Hotel President geht. Das Hotel um die Ecke vom KaDeWe ist nämlich seit drei Wochen umfunktioniert zum Flüchtlingsheim. Inforadio war von Anfang an dabei und berichtet, wie es in dem Modellprojekt für Integration zugeht: Die Flüchtlingsfamilien haben Einzelzimmer und eine gute Betreuung, müssen sich allerdings auch an strenge Regeln halten. Wer das nicht tut, muss gehen. Anna Corves stellt das Heim vor.

Rezeption des ehemaligen Best Western Hotels "President" - Foto: A. Corves / © 2015 - rbb-Inforadio

Der Eingangsbereich des Hotel President ist noch ganz edle Lobby: marmorierter Steinboden, verspiegelte Rezeption, an der Wand Glasvitrinen, darin mit Trauben dekorierte Weingläser. Doch hinter der Rezeption steht kein livrierter Portier, sondern ein Security-Mitarbeiter. Und die Flure beleben keine Geschäftsmänner im feinen Zwirn, sondern müde aussehende Männer, hochschwangere Frauen mit Kopftuch und viele, viele Kinder.

"Es ist wie eine tolle schillernde Hülle auf der einen Seite – und auf der anderen Seite pleite gegangene Struktur und alte Technik, die neu belebt werden muss mit Frischzellen. Das wären jetzt die Menschen, die hierher kommen, die starten wollen, die los wollen. Und wenn unser System nicht in der Lage ist, sich anzupassen und diese Menschen zu integrieren, dann wird die alte Struktur zusammenfallen."

So beschreibt Heimleiter Friedrich Kiesinger die Lage. Er ist groß, schmal, trägt schulterlanges weißes Haar, versinkt in einem tiefen Sessel der ehemaligen Hotel-Bar "Bellevue", hinter ihm gucken die verflossenen Bundespräsidenten Wulff und von Weizsäcker von der Wand - Hotel President eben.

Der Leiter der Flüchtlings-Unterkunft im "Hotel President", Friedrich Kiesinger (Quelle: rbb/ A. Corves )Heimleiter Friedrich Kiesinger - Foto: A. Corves

Das oberste Ziel: eine schnelle Integration

Der 63-Jährige hat mit seinen Firmen Albatros und Pegasus jahrzehntelange Erfahrung mit Projekten rund um Gesundheit und Soziales. Auch in der Flüchtlingsarbeit ist er schon länger aktiv, ursprünglich mit Integrationsangeboten in Heimen - seit September aber auch selbst als Heimleiter: er betreibt die Notunterkunft im Olympiapark: zwei Sporthallen, die mehr als 1.000 Menschen beherbergen, meist nur für kurze Zeit. Für den ausgebildeten Psychologe das Anti-Ideal.

Deswegen hat er sofort zugesagt, als ihm angeboten wurde, das kürzlich pleite gegangene Hotel President zu einem Heim umzurüsten, in dem 400, 500 geflüchtete Menschen zumindest ein paar Monate lang wohnen können. Die Zimmerstruktur, den vergleichsweise hohen Standard will er gezielt einsetzen.

"Diese Einrichtung dient vor allem dazu, dass wir diese besonders bedürftigen Gruppen hier unterbringen können. Wir wollen hier auch Menschen haben, die sich schneller integrieren wollen, wir wollen also eine Mischung haben zwischen besonders schwachen und aber auch Leistungsfähigen, die schnell Steuerzahler werden", und dafür in Ausbildungs- und Integrationsprojekten hier im Hotel fit gemacht werden sollen. Vor drei Wochen sind die ersten Flüchtlinge eingezogen.

Basema Hamdi, Flüchtling aus Syrien, mit ihren beiden Söhnen Hassan (li.) und Mohamed - Foto: A. Corves © 2015 rbb-Inforadio
Basema Hamdi mit ihren Söhnen - Foto: A. Corves

Auf Sauberkeit achtet jeder selbst

Die 29-jährige Syrerin Basema Hamdi wohnt mit ihrem Mann und zwei kleinen Söhnen (fünf und zwei Jahre alt) in einem der Zimmer. Die Familie war zuvor in den Sporthallen am Olympiapark untergebracht: "Das war schon ok da", betont sie. "Aber wegen der vielen Leute sei es halt schon ziemlich dreckig gewesen, habe gestunken, und viele waren krank. Aber das sei kein Problem gewesen, sagt sie, wirklich nicht.

Hier im Hotel ist sie glücklich. Sie geht mit den Kindern spazieren, erzählt sie, in den Zoo, in den Park oder in den Supermarkt. Sie verbringt aber auch viel Zeit im Zimmer und genießt es, nach der Flucht ein bisschen zur Ruhe kommen zu können.

Ihren Rückzugsraum hält sie auf Vordermann, verteidigt die Ordnung gegen die beiden Kleinkinder, alles ist picobello sauber.

Das ist nicht selbstverständlich. Bei mehreren Hundert Menschen in einem Haus, aus so unterschiedlichen Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder dem Sudan kommt's durchaus auch zu Ärger, sagt Leiter Friedrich Kiesinger - und nimmt kein Blatt vor den Mund: "Wir sagen von Anfang an, dass jeder für sein Zimmer verantwortlich ist. Und wenn dann einer sein Klo verscheißt, dann kommt keiner, der das wegputzt. Wir kontrollieren aber jeden Tag die Zimmer. Wir wollen nicht, dass das Ding nach zwei Monaten runtergewirtschaftet ist. Und wer die Sachen nicht würdigt – der ist dann nicht geeignet für hier, kann gerne wieder in die Halle zurück. Da hat er dann das andere Modell.“

Flüchtlinge Shabnam Shams, Ehemann Ramin Askeria und Baby Shayan im Hotel President in Berlin - Foto: A. Corves © 2015 rbb-inforadio

"Wir können kein Ersatz-Krankenhaus sein"

Die klare Ansage gibt es bereits beim Check-In zusammen mit der Hausordnung: "Wer schlägt, klaut oder trinkt, der fliegt". Klare Kante zeigen beißt sich für Kiesinger nicht mit seinem Idealismus, im Hotel President ein Modellprojekt für Integration aufbauen zu wollen.

Die Bewährungsproben sind groß: im Haus das Ringen um ein harmonisches Zusammenleben. Und dann sind da noch die vielen Ansprüche von außen. "Alle möglichen Institutionen kriegen jetzt mit: Hier haben wir ein Hotel, und in dem Hotel gibt es Einzelzimmer. Also heißt es: Herr Kiesinger, wir haben da einen Typhuskranken. Der ist jetzt im Krankenhaus soweit behandelt, dass er nicht mehr ansteckend ist über – was weiß ich: Spucke oder sowas, aber über seine Ausscheidungen. Dann kann er doch bei Ihnen aufs Zimmer kommen. Oder wir haben jemanden, der hat multiresistente Keime, der muss separiert werden. Sie haben doch ein Hotel, wo er dann in ein Zimmer kommen kann. Also, wir müssen uns auch wehren, dass wir hier als so eine Art Ersatz-Krankenhaus missbraucht werden."

Der Weg zum Traum ist steinig

Zu viele Härtefälle würden die Mitarbeiter im Hotel President überfordern - zumal die Strukturen gerade erst aufgebaut werden. Tausend Dinge müssen gleichzeitig passieren: Personal finden, eine medizinische Grundversorgung organisieren, die Bewohner, Kindergärten und Schulen aus der Nachbarschaft ins Boot holen und und und...

Es sind lange Tage für Kiesinger und sein Team, und der Weg zum Ideal ist steinig: "Unser Traum muss natürlich immer jeden Tag an den Realitäten und den Erfordernissen überprüft werden. Wie sich das ändert, werden wir sehen. Die Erfahrung haben wir ja noch nicht."