Geschäftsmann schaut auf seine Armbanduhr
picture alliance / PantherMedia | LightField Studios
Bild: picture alliance / PantherMedia | LightField Studios Download (mp3, 3 MB)

100 Sekunden Leben - Meine Unabhängigkeits-Uhr

Warum etwas ersetzen, was auch nach langer Zeit noch hervorragend funktioniert? Das fragt sich unser Kolumnist Thomas Hollmann - und fühlt sich doch nicht mehr so richtig zeitgemäß.

Ich habe eine schöne Uhr. Die ist schwarz und schmal und schlicht. Und all die Jahre habe ich die gerne getragen und vorgezeigt. Aber inzwischen ist mir meine Uhr etwas peinlich. Dabei kann ich mich total auf sie verlassen. Die zeigt mir jederzeit an, wie spät es ist. Mehr allerdings auch nicht.

Und das ist dann doch etwas wenig. Gibt es inzwischen doch auch schmale, schwarze, schlichte Smartwatches. Die zeigen auch die Uhrzeit an. Mit denen kann ich zudem aber auch telefonieren und bezahlen und Musik hören und Schritte zählen und die Herzfrequenz messen und meine Schlafphasen analysieren. Das kann ich mit meiner Uhr nicht. Und eine Notruffunktion hat die ebenso wenig. Wenn ich einen Herzinfarkt kriege, falle ich um und keiner merkt‘s. Vielleicht geht bei dem Sturz die Uhr sogar kaputt.

Das wäre schade, aber kein finanzielles Desaster. War meine Uhr doch noch nicht einmal richtig teuer. Als Protz-Instrument taugt die deshalb ebenso wenig wie als mobile Geldanlage. Und das ist vermutlich der letzte Grund, eine Uhr zu tragen. Weil sich damit angeben lässt, wenn man mit 10 000 Euro am Handgelenk herumschlackert. Die Uhr als Diamantenring des Mannes. Also, mir ist das zu Marylin-mäßig.

Wobei man für Smartwatches inzwischen auch ordentlich Geld ausgeben kann. Aber ich würde das nicht tun. Hätte ich doch immer Angst, dass Elon Musk meine Smartwatch hackt. Oder er rationalisiert gleich das ganze Internet weg. Da lässt sich der Puls dann auch nicht mehr messen, egal, wie hoch der ist.

Vielleicht sollte ich die Sache so sehen, dass mir meine Uhr ein Stück Unabhängigkeit sichert. Und das Beste daran: Ich kann meine Unabhängigkeit jederzeit selbst aufziehen.

Auch auf rbb24inforadio.de

100 Sekunden Leben
rbb

100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.