100 Sekunden Leben - Mein neuer Nachbar Benedikt
Kolumnist Thomas Hollmann freut sich, dass bei ihm im Haus ein neuer Nachbar eingezogen ist. Und nicht nur, weil es ausnahmsweise kein Hund ist.
Das Ungewöhnliche an Benedikt ist, dass er nur zwei Beine hat – und keine vier. Wie die Nachbarn, die sonst bei uns neu einziehen. Juri, Jacki, Jimmy, Coco - alles Hunde. Nun habe ich nichts gegen Hunde, aber Menschen sind mir dann doch lieber. Kann ich mich mit denen doch auch mal unterhalten. Mit Hunden fällt mir das schwer.
Wobei Benedikt nicht gerade viel sagt. Denn Benedikt ist ein Baby und bevorzugt es zu schreien. Aber irgendwann wird er damit aufhören und „Mama“ sagen. Das kriegt ein Hund nicht hin. Da kann der sich noch so anstrengen, der wird immer nur bellen. Ein Mensch hat dann doch das größere Entwicklungspotenzial.
Okay, Hunde können gleich laufen. Das können Menschen nicht. Aber die motorischen Fähigkeiten von Benedikt sind auch schon beachtlich. Ich weiß das, weil unser Haus ein Eckhaus ist und wir uns gegenseitig in die Küche gucken. Und die Wippe, in der Benedikt liegt, bringt er derart zum Schaukeln, dass ich hoffe, die Eltern vergessen nicht mal, ihn anzuschnallen. Denn dann würde er sich wahrscheinlich herauskatapultieren aus der Wippe und auf dem Kühlschrank landen. Und von dort oben käme er nur schwer wieder runter.
Einem Menschen dabei zuzusehen, wie er einer wird und dabei den Gefahren trotzt, die auf ihn lauern, hat irgendwie etwas Tröstliches. Habe ich festgestellt.
Bald wird Benedikt mit am Tisch sitzen. Der Kinderstuhl steht schon bereit. Und ehe man sich versieht, ist Benedikt 18 und kann wählen. Das können Hunde auch nicht. Was Tierfreunde möglicherweise beklagen. Aber ich bin gegen das Wahlrecht für Hunde. Würden Hunde doch gar nicht wählen, sondern nur dem Herrchen hinterherlaufen.