100 Sekunden Leben - Die Wärmflaschen-Verschwörung
Es ist kalt in Berlin und Brandenburg – beziehungsweise: ganz normales Wetter für den Winter. Kolumnistin Doris Anselm hat deshalb ihr liebstes Winter-Accessoire im Dauereinsatz. Und macht sich schonmal Sorgen, wie lange das noch gutgeht.
Bei der Beobachtung meiner Mitmenschen ist mir aufgefallen, dass man mit dem Alter drei Dinge wird: kälteempfindlicher, konservativer und anfälliger für komische Ängste. Jaja, so sind se, die Leute, dachte ich arrogant. Bis ich gemerkt hab: Bei mir selbst, obwohl kaum Mitte vierzig, kristallisieren sich jetzt schon alle drei, und zwar an einem einzigen Objekt: der Wärmflasche.
Die ist hier winters im Dauereinsatz und neulich abends ertappte ich mein Gehirn bei einem absurden Grübel-Exzess. Der gipfelte im Ärger darüber, dass die EU-Kommission demnächst bestimmt die Wärmflasche verbietet. So wie die gute alte Glühbirne! Ich hatte nämlich letztens mal die Energiebilanz von Wärmflaschen verglichen mit der von Heizdecken und Körnerkissen. Nicht so doll. Aber das Körnerkissen wird nie richtig heiß, und das Kabel an der Heizdecke verheddert sich. Außerdem ist das wunderbare Gluckern und das spezifische Gewicht einer Wärmflasche von der Gemütlichkeit her überhaupt nicht zu vergleichen mit diesem ganzen modernen Zeug.
Aber die Brüsseler Bürokraten, so fabulierte mein Hirn unkontrolliert weiter, reiten bestimmt auch auf dem Sicherheitsaspekt herum, der Verbrühungsgefahr, ja meine Güte, das Leben war noch nie ganz ohne Risiko. Verdammte EU-Kommission! Ich war in höchster Rage.
Rückblickend muss ich zugeben, dass ich vielleicht auch deshalb Probleme hatte, einen kühlen Kopf zu bewahren, weil die Wärmflasche in meinem Nacken etwas hochgerutscht war. Schluss jetzt, sagte ich zu mir. Sonst kann ich auch gleich Feuer machen und mir einen heißen Stein ins Bett legen. So lief das vor ein paar hundert Jahren, und da gab’s bestimmt auch Leute, die dem nachgetrauert haben. Oh Mann, hoffentlich kommt bald der Frühling.