Frau schreibt einen Brief mit Tinte
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100 Sekunden Leben - Anselm antwortet

Wer von zuhause arbeitet, plaudert nur wenig mit Kollegen. Unsere Kolumnistin Doris Anselm vermisst das sehr – sie ist seit 2019 im Homeoffice. Deshalb will sie jetzt ab und zu mal ins Gespräch kommen mit den Anderen im Team der "100 Sekunden Leben". Und zwar direkt auf Sendung.

In der deutschen Sprache gibt es Wörter, die bedeuten eine Sache – und ihr exaktes Gegenteil. Manchmal hängt das nur an der Aussprache: Ob man ein Hindernis umfährt oder umfährt, kann entscheidend sein. Gestern hat mein Kollege Thomas Hollmann mich auf ein weiteres Wort gebracht, dem diese Doppeldeutigkeit innewohnt – oder angeheftet wird: "Verantwortung".

Sehr schön legte Thomas in seiner Kolumne dar, wie Politiker jeder Couleur jetzt nach der Wahl angeblich von ihrer Deutschland-Verantwortung übermannt werden. Na, aber, dachte ich zuerst, Viele haben doch auch hingeschmissen. Wobei: Da fällt ebenso gern der Ausdruck "Verantwortung übernehmen", also für Fehler. Oder dafür, die FDP aus dem Bundestag zu kegeln. Und dann ist das Wort noch in der Außenpolitik beliebt, speziell im militärischen Bereich.

Schon seltsam: "Verantwortung übernehmen" ist gleichermaßen Codewort für "Zurücktreten" und für "irgendwo einmarschieren". Gar nicht so weit entfernt von umfahren oder umfahren. Dabei ist der Kern des Wortes eigentlich nur die "Antwort". Man muss jemandem antworten. Aber bringt das was? Eine Antwort ist oft nur eine weitere Behauptung.

Kurt Tucholsky hat mal gesagt, er glaube jedem, der die Wahrheit sucht, aber keinem, der behauptet, sie gefunden zu haben. Allerdings weiß ich nicht, ob man sich darauf heute noch ausruhen kann, wenn zum Beispiel der französische Präsident den der USA öffentlich korrigiert (bei Zahlen zur Ukraine-Unterstützung). Vielleicht ist der Faktencheck die Verantwortung von heute.

Lieber Thomas, danke für den Plausch. Die Kaffeeküche um uns rum gibt‘s zwar nur in meiner Homeoffice-Fantasie – aber dafür ist sie die einzige Büro-Kaffeeküche der Welt, in der Alle immer die Spülmaschine ausräumen.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.