Ein Rollmops mit Zwiebeln auf einem Teller.
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100 Sekunden Leben - Rollback to Rollmops

Es kommt bekanntlich alles irgendwann mal wieder. Und so erlebt gerade die gutbürgerliche deutsche Küche ihr Comeback. Unserem Kolumnisten Thomas Hollmann schmeckt das durchaus. Aber auf ein vollständiges Revival hat er dann doch keinen Appetit.

Hühnerfrikassee, Sauerbraten, Matjessalat, Wirsing, Königsberger Klopse, Apfelkompott. Das kriegt man jetzt auch in gehobenen Berliner Restaurants. Und die Maggi-Flasche steht da gleich mit auf dem Tisch.

Da wollte ich mir natürlich ein paar Tropfen auf den Finger tropfen lassen. Aber aus einer Maggiflasche tropft es nicht. Das hatte ich ganz vergessen, dass man die Flüssigwürze rausschütteln muss. Und dann ist die Hälfte auf die Tischdecke gespritzt, die, wie sich das für ein gutbürgerliches deutsches Retro-Restaurant gehört, aus Stoff war.

Aber schmecken tut Maggi super. Auch das hatte ich vergessen. Und als der Teller mit der Rinderroulade herandampfte, war ich wieder zwölf und hätte vor lauter Früher fast geweint. Was die These der Gastro-Soziologen bestätigt, die da lautet: Die westdeutsche Küche erlebt deshalb ihr Revival, weil in den 70er-Jahren alles überschaubar und wohlgeordnet war und nicht so unsicher und kriselnd wie heute.

Dabei sieht so eine Rinderroulade nicht wirklich schön aus - und akkurat schon mal gar nicht. So ungelenk wie die verschnürt ist. Und der Rotkohl war auch nicht rot, sondern blau-lila-verkocht. Während sich das blässliche Kartoffelpüree mit der dusteren Sauce vollsog, die wannseegleich über den Teller schwappte. Nein, farbenfroh waren die 70er kulinarisch nicht.

Auf der anderen Seite: Hummus ist auch eine ziemliche Matsche-Pampe.

Und Tofu mag ich schon deshalb nicht, weil der so pockig ist. Der könnte auch glatt aus den 70er-Jahren stammen. Aber man muss es ja auch nicht übertreiben mit dem Revival. Den Rollback zum Rollmops mache ich jedenfalls nicht mit. Hering ist mir definitiv zu glitschig.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.