US-Präsident Donald Trump hält im Oval Office des Weißen Hauses eine Anordnung zur Begnadigung für Personen hoch, die im Zusammenhang mit der Kapitol-Attacke am 6. Januar 2021 verurteilt wurden.
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100 Sekunden Leben - Gnade für alle

Seit der Amtsübergabe der US-Präsidentschaft denkt unsere Kolumnistin Doris Anselm darüber nach, ob sie "was machen lassen sollte". Nicht im Gesicht oder am Körper, sondern mehr so juristisch: Dem Trend aus den USA folgend würde sie sich gern begnadigen lassen.

Ich habe mich schonmal begradigen lassen. Also meine Zähne. Da war ich noch ein Teenager, und bis heute profitiere ich davon. Die Begradigung von Nasen gibt’s inzwischen als Routineeingriff. Noch nie habe ich dagegen in meinem Umfeld mitbekommen, dass jemand sich hätte begnadigen lassen. Offenbar ist das jetzt aber der neueste Trend aus den USA. Da hat erst Joe Biden diverse Personen begnadigt, sogar vorsorglich, damit sie unter Trump nicht verfolgt werden können. Woraufhin dieser, kaum im Amt, gleich ganze 1500 Leute begnadigt hat, nämlich seine Anhänger, die damals das Kapitol gestürmt hatten.

Ich will da nichts vergleichen – ich finde die Methode an sich interessant. Zum Beispiel frage ich mich, ob so eine Begnadigung, vor allem, wenn’s noch gar keine Anklage gibt, also, ob die dann für egal welchen Straftatvorwurf gilt. Wie diese eine Karte beim Monopoly: "Du kommst aus dem Gefängnis frei". Die kann man sich auf Vorrat hinlegen. Im Grunde böte die Begnadigung dann ja sowas wie diplomatische Immunität für Jedermann. Das will ich auch!

Es muss ja nicht gleich Kapitalverbrechen sein. Verkehrsdelikte würden schon reichen. Minuspunkte in Flensburg! Das wär doch die perfekte Begnadigung des kleinen Mannes. Natürlich müsste man dann auch ÖPNV-Schwarzfahrer begnadigen. Und sonst so? Hm. Ich selbst hab wenig auf dem Kerbholz, und auch in der Planung künftiger und potentieller Straftaten bin ich leicht fantasielos. Wenn, dann sowas Robin-Hood-Mäßiges. Wie beim Monopoly, wenn man wartet, dass der Banker mal aufs Klo muss, und dann einen Haufen Scheine an die Mitspieler verteilt. Mehr Geld für die Ärmsten, mehr Gnade für Alle!

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Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.