100 Sekunden Leben - Mein unaufhaltsamer Absturz in die Eishockeysucht
Wenn es um Sport geht, gab es lange für Kolumnist Hendrik Schröder nur eins: Fußball. Dachte er. Bis etwas ganz neues in sein Leben drang und jetzt nicht mehr weg geht.
Ich hab mich nicht nur neu verliebt. Nein, ich bin besessen. Von Eishockey. Es fing so vor zwei, drei Jahren ganz langsam an, wurde halt mal mitgenommen zum Eisbären Spiel. Dachte: Ja, warum nicht. Aber hey, nur um das klarzustellen…ich bin Fußball. Immer schon. Seitdem ich laufen kann. Ob VfL oder Hahohe,…nichts kann einem so viel geben wie der Fußball, ist doch klar.
Mein erstes Spiel bei den Eisbären war dann sehr nett, aber auch ein ganz schöner Kulturschock. Die Überinszenierung mit Feuerwerk, Musik, die eingespielt wurde, während die Fans noch sangen, die vollständige Merchandisisierung der Besucher, die vor Fanschals und Trikots und Mützen kaum laufen können. Und dieser Bezug der Fankurve auf eine Tradition, die es, wenn man ehrlich ist nur noch in ihren Köpfen gibt, von wegen Dynamo und so. Alles war anders als im Fußballstadion.
Aber dieses Spiel! Dieser Sport! Die Geschwindigkeit, diese Mischung aus brutaler Kraft und Eleganz. Nach ein paar Spielbesuchen hatte ich auch raus, wie man den Puck, diese kleine schwarze Rakete, im Auge behält. Es geht ja immer alles so schnell. Das ist ja das Geile. Kein endloses Aufreiben im Mittelfeld. Immer Action, immer druff. Und fast immer deutlich mehr Tore als beim Fußball. Und nie unentschieden. Und wenn man in der Kurve steht auch echt viel Alarm und Gesänge und Freude und Gefühle und Fahnen - und bei den Play Off Spielen sogar Choreographien. Und ständig wird gespielt, oft mehrmals die Woche. Ich war am Haken. Ich wollte ein Selfie mit Bully, dem Maskottchen der Eisbären, das im zweiten Drittel immer so lustig auf den Rängen tanzt. So weit war es gekommen.
Konnte ich nicht in die Halle, fing ich an, Eishockey-Spiele im Fernsehen zu sehen, im Urlaub auch in anderen Städten und Ländern zum Eishockey zu gehen. Eishockey-Filme zu schauen und Bücher zu lesen. Die jüngste Eskalation ist ein TV Abo für die NHL, die nordamerikanische Liga, in der alles noch schneller, lauter, krasser, besser ist.
Eishockey: Der beste Eskapismus, den ich je erlebt hatte. Nichts von der Welt da draußen ist noch wichtig, wenn der Puck fliegt und die Schlittschuhkufen ins Eis schneiden. Hat man das ein Mal gecheckt, will man es immer wieder..und jetzt frage ich mich: Was macht man denn gegen Eishockeysucht? Zum Basketball gehen…das ist doch langweilig…oder?