100 Sekunden Leben - Wer kriegt das Sorgerecht für die Bürger?
Kolumnistin Doris Anselm denkt über Scheidung nach. Dabei ist sie gar nicht verheiratet. Vielmehr geht ihr das Ende der Ampel-Koalition durch den Kopf.
Man könnte meinen: Wer sich bisher nicht groß über die Ampel aufgeregt hat, der braucht jetzt auch nicht mehr damit anzufangen. Wie überrascht war ich deshalb, als ich merkte, dass ich mich gerade tierisch aufrege über die Art und Weise, wie das Ampel-Ende läuft. Zum Beispiel darüber, dass ich das bezahlen soll. Ich musste dauernd an eine Scheidung denken. Die wird in Deutschland von den Beteiligten bezahlt. Stellen Sie sich dagegen mal vor, die Kosten würden standardmäßig auf die Kinder umgelegt. Das wäre doch total ungerecht. Naiv gefragt also: Warum könnte nicht ein Teil der Kosten für Neuwahlen, Entlassungs-Urkunden-Zeremonien und Co aus den Diäten der Politiker bezahlt werden, die am Bruch beteiligt waren?
Außerdem: Der ganze deutsche Spitzenpolitikbetrieb ist jetzt mal wieder monatelang mit sich selbst beschäftigt. Wenn’s vor Gericht um eine Ehescheidung mit Familie geht, dann soll ja laut Gesetz immer das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Was ist denn dann mit dem Landeswohl bei Koalitionsbrüchen?
Aber na gut, man kann es mit der Scheidungs-Metapher auch zu weit treiben. Keinesfalls möchte ich etwa nach dem Prinzip "geteiltes Sorgerecht" regiert werden: immer abwechselnd eine Woche FDP und eine Woche Rot-Grün. Wobei … Wenn ich dann eine Zweitwohnung kriege und Bestechungsgeschenke von beiden Seiten …? Aber nein. Bei Scheidungen kommt am Ende immer noch so viel Dreck ans Licht. Ich will gar nicht wissen, dass die FDP vielleicht schon während der gemeinsamen Zeit fremdgegangen ist mit irgendwelchen Konzernen. Oder auch nur, ganz banal: dass wegen des grauenhaften Schnarchens von Olaf Scholz drei Jahre lang keiner seiner Partner im Bundestag ein Auge zu machen konnte.