100 Sekunden Leben - Politische Mitesser
Unser Kolumnist Thomas Hollmann geht einmal im Monat zu seinem Lieblingsitaliener. Bei seinem letzten Restaurantbesuch wird er von politischer Prominenz überrascht.
Ich gehe einmal die Woche zu meinem Italiener. Nudeln essen. Die sind sehr lecker dort und günstig dazu. Aber beim letzten Mal saß Saskia Esken am Nebentisch. Da habe ich es mit der Angst bekommen. Nicht, dass künftig noch mehr Sozialdemokraten da rumsitzen. Oder Politiker von anderen Parteien. Am Ende vielleicht sogar der Lindner oder die Weidel. Nein, das würde ich nicht wollen, dass aus meinem Italiener ein Bundestags-Restaurant wird.
Klar, auch Politiker müssen ab und an etwas essen. Aber bitte nicht direkt neben mir. Stehen die Tische bei meinem Italiener doch derart eng beieinander, dass ich auch die Spaghetti von Frau Esken auf meine Gabel hätte rollen können. Was ich natürlich unterlassen habe. Und weil ich kein Spanner sein wollte, habe ich so getan, als ob ich sie nicht höre. Aber auf taub zu machen, ist total anstrengend. Und dann haben mir meine Nudeln nicht mehr geschmeckt. Wahrscheinlich ist das doch gut, dass es Promi-Lokale gibt. Da sind die Promis unter sich, und wir Normalos verkrampfen nicht vor unserer Penne Amatriciana.
Mir ist ja ein Rätsel, wie Frau Esken von meinem Italiener erfahren hat. Irgendwer muss ihr den Tipp gegeben haben. Vielleicht jemand, der mich nicht mag. Aber womöglich erzählt Frau Esken auch nicht weiter, wie lecker die Nudeln sind. Sitzt sie doch womöglich lieber neben einem sich verkrampfenden Normalo als in Hörweite zu Kollegen, die daraus politisches Kapital schlagen. Wenn sie hören, dass in der einen Kommission schlecht gearbeitet wird, das Interview mit diesem Anderen total verschenkt war und sie demnächst eine neue Küche bekommt.
Was mich für Frau Esken freut. Das mit der Küche. Müssen jetzt nur noch der Linder und die Weidel zuhause kochen.