100 Sekunden Leben - Eine echte Harke
Unser Kolumnist Thomas Hollmann ist kürzlich mit dem Fahrrad raus nach Brandenburg gefahren. Und dank dieses Ausfluges weiß er jetzt, was eine echte Harke ist.
Ich fahre gerne mal mit dem Rad raus nach Brandenburg. Gerade jetzt. Ist Brandenburg im kühlen Herbst doch noch stiller als sonst. Da kann ich das vorlaute Berlin schön hinter mir lassen. Und ich war auch schon ganz großstadtvergessen, als ich nach Fresdorf reinrollte und dieses Kratzen hörte.
Was nicht wirklich ein Kratzen war, eher ein vielfingeriges Schleifen und Ziehen, das ich irgendwoher kannte. Und dann sah ich den Mann, wie er leicht vornübergebeugt dastand und etwas in der Hand hielt, mit dem er dieses Geräusch offensichtlich machte. Sollte das etwa? Tatsächlich, der Mann hielt eine Laubharke in seinen Händen, mit der er die Blätter auf seinem Rasen zusammenharkte!
Ich hielt an. Ein Mann mit einer Laubharke – und keinem Laubbläser! Ich war gerührt angesichts dieses gartengerätlichen Konservatismus. "Laubbläser machen nur Krach", erklärte mir der Mann und dass er "so einen Mist" nicht brauche. Da hätte ich ihn fast geküsst. Aber die Hecke stand zwischen uns.
In Berlin gibt es keine Männer mehr mit Laubharken. Die stehen da mit der Hand in der Hose. Und mit der anderen halten sie ihren Kreisch-Phallus vor sich und blasen und lärmen das Laub in alle Richtungen. Hauptsache, das Zeug liegt nicht mehr vor der eigenen Tür.
Okay, in Fresdorf kann man das nicht machen. Da würde sich der Nachbar beschweren. Und den Laubberg nachts zu ihm rüber heulen, geht auch nicht, würde der Nachbar doch vom Krach wach werden und dann gleich nachgucken, was da los ist.
Soziale Kontrolle hat auch etwas für sich. Dachte ich da. Nur, wie kriegt man die rüber von Brandenburg nach Berlin? Schwierig. Würden die Berliner die soziale Kontrolle doch sofort wieder zurückblasen.