100 Sekunden Leben - Mit lockerer Hüfte einkaufen
Unser Kolumnist Thomas Hollmann ist schon im Vorweihnachts-Stress. Aber er hat dagegen ein wirksames Mittel gefunden.
Ich war auf der Steglitzer Schloßstraße einkaufen und habe mich gefragt: Ist denn schon Weihnachten? Ein Auflauf und Gemache war das, als hätte es irgendwo etwas umsonst gegeben. Aber ich fand nicht heraus, wo. Denn ich musste aufpassen, nicht umgerast zu werden, von Leuten, die mir entgegenkamen wie Eisenbahnzüge, die auf Schienen dahinrattern, stur und starr geradeaus. Manche schienen auch Öltanker zu sein, bei denen sich eine Kursänderung erst anderthalb Kilometer später bemerkbar macht. Weshalb die Kapitäne wütende Warn-Blicke über den Bürgersteig feuerten: "Geht aus dem Weg, ihr Penner!"
Das kann ja heiter werden, wenn die Berliner Weihnachts-Einkauferei erstmal richtig los geht. Wobei: So voll wie in New York ist es bei uns nicht. Das weiß ich, weil ich letztens dort war und gestaunt habe, wie viele Menschen auf einen New Yorker Bürgersteig passen, die alle aneinander vorbei hasten, ohne dass irgendwelche Kollisionen oder Tankerunfälle drohen.
Das ist ein Phänomen: New Yorker sind irgendwie locker in der Hüfte. Die kippeln mal nach links und dann nach rechts. Und weil das alle machen und keiner auf seinen Kurs beharrt, kommen die sich nicht in die Quere. Selbst dann nicht, wenn Fahrradkuriere durch diese Boogie-Woogie-Massen hindurchsausen, obwohl sie Rot haben.
Da habe ich mich natürlich aufgeregt, aber der Fahrradkurier war nicht interessiert an meinen verkehrsjuristischen Unterweisungen. Und die Anderen achteten ebenso wenig auf mich, sondern überholten mich links und rechts. Und da habe ich es begriffen: Man kommt in einer Großstadt leichter weiter, wenn man locker bleibt, in der Hüfte und im Kopf.
Muss ich das jetzt nur noch den Berliner Bürgersteig-Kapitänen erklären. Nur, wie komme ich da rauf, auf so einen Öltanker?