100 Sekunden Leben - Vielleicht besser zu Fuß
US-Präsident Joe Biden ist in Berlin - entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen. Das kommt unserem Kolumnisten Thomas Hollmann gar nicht gut zu Pass.
Ich muss am Mittag am Flughafen sein. Ich hatte mir schon überlegt hinzulaufen. Die Bürgersteige werden ja wohl nicht gesperrt sein, oder? Ich weiß das nicht. Wie ich auch nicht weiß, wann Auto-, U- und S-Bahn gesperrt werden. Schon klar - wenn die Polizei das vorher verrät, ist der Überraschungseffekt dahin.
Aber vielleicht habe ich ja Glück. Der Biden muss ja erst noch zum Bundespräsidenten und zum Kanzler. Da wird der am Mittag noch nicht auf dem Weg zurück zum Flughafen sein. Allerdings muss ich erstmal durch die Stadt, vorbei an Bellevue und Kanzleramt. Und die Bannkreise werden auch immer größer, ist mein Eindruck. Aber da freuen sich wenigstens mal die Reinickendorfer, dass die so weit draußen wohnen.
Ich könnte drum herumfahren. Oder laufen. Aber dann hätte ich schon vorgestern losgemusst. Zieht sich so ein Rollkoffer doch recht beschwerlich durch den märkischen Sand. Apropos: Warum empfängt der Kanzler seine Gäste eigentlich nicht auf Schloss Meseberg? Da müsste man keine keine U- und S- und Autobahnen sperren. Ach ja, richtig: Schloss Meseberg war die Empfangshalle von Angela Merkel. Da will der Nachfolger natürlich sein eigenes Schloss haben. Und sei es das Kanzleramt.
Möglicherweise hält es Olaf Scholz ja auch für ein demokratisches Bekenntnis, seine Gäste inmitten einer millionenfachen Wählerschaft zu empfangen. Dumm nur, wenn die Wähler dann alle im Stau stehen oder in der eigenen Bude hocken bleiben, weil sie eh nirgendwohin kommen. Da kriegt der Besucher ja gar kein richtiges Demokratie-Gefühl, wenn der gar keine Wähler sieht und Berlin nur eine Kulisse ist. Da kann der Scholz seine Gäste auch gleich im Filmpark Babelsberg empfangen. Was, wenn ich es mir recht überlege, gar nicht die schlechteste Idee ist.