Verkehr in Manhattan.
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100 Sekunden Leben - A German man in New York

Unser Kolumnist Thomas Hollmann war seit langer Zeit mal wieder in New York und wundert sich, was sich dort alles verändert hat – und was nicht.

Das letzte Mal war ich vor 30 Jahren in New York. Damals standen in den Restaurantküchen Schwarze an den Spülen; jetzt stehen da Latinos. Die Latinos sind offensichtlich die neuen Tellerwäscher. Die Museen haben dafür neue Toiletten - All Gender. Aber da waren nur Männer drin.

In dem Improvisationstheater spielten dagegen auch Frauen mit. Eine mutierte während der Aufführung zu einer krummgestaltigen Hexe, die von ihren Mitspielern "Gabi" genannt wurde. Woraufhin Gabi bösartige Verwünschungen mit schwerem deutschem Akzent ausstieß. Dass ich mich fragte, ob das Deutschen-Image der New Yorker – und möglicherweise auch anderer Amerikaner – noch immer von den Gebrüdern Grimm bestimmt wird.

Aber dann waren wir tags drauf in einem Comedy Club. Der Chef-Komiker fragte die Gäste, wo sie herkommen. Wir antworteten wahrheitsgemäß: Berlin. Oh, Germany! Das sei interessant, Leute hierzuhaben, die aller Welt gefallen wollen. Warum macht ihr Deutschen das? What’s your problem?

Bevor ich antworten konnte, machte der Komiker seinen nächsten Witz. Und da saß ich dann. Bin ich doch weder harmoniesüchtig noch eine Hexe. Aber das jetzt klarzustellen, fand ich übertrieben. Zumal ein Bühnensturm das Vorurteil hätte bekräftigen können, Deutsche seien etwas unentspannt.

Der Abend endete dann doch noch versöhnlich. Nämlich als der Mann auf der Bühne wissen wollte, ob wir ein Liebespaar sind und ich mich beeilte zu antworten, dass wir das gerne wären, die Gesetze in Deutschland dies aber nicht zuließen. "That’s my daughter." – Meine Tochter und ich fanden das lustig. Der Mann auf der Bühne weniger. Möglicherweise hielt er uns für creepy, für etwas unheimlich. Von mir aus gerne. Hauptsache, ich bin keine harmoniesüchtige Hexe.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.